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Ruhe Sanft

Ruhe Sanft

Titel: Ruhe Sanft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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arbeiten? Wahrscheinlich. Irgend etwas an Kevin sagte ihr, daß er ihr Ärger machen könnte. Er war zu raffiniert, zu gewandt, zu gut, um echt zu sein.
    Dann mußte sie wieder an Judy Blue denken. Wetzon hatte auf dem Weg zum Le Refuge keine langsam fahrenden, unbeleuchteten Autos — oder Taxis — gesehen, aber irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, daß sie Judy Blue nicht zum letztenmal gesehen hatte.
    Sie summte vor sich hin, nichts Gutes ahnend, als sie die Tür des Restaurants öffnete und einen langen, schmalen Raum mit Tischen auf der rechten Seite und einer hohen Nußbaumbar an der linken betrat. Es war keine Bar, an der sich Gäste anlehnen konnten; eher eine Anrichte, an der die Kellner Wein ausschenkten oder Drinks mixten. Eine Frau im roten Seidenkleid mit einem um die Schultern gelegten schwarzen Kaschmirpullover und großen Schildpattkämmen im halblangen, krausen braunen Haar kam um die Bar herum.
    Wetzon zog den Mantel aus und reichte ihn der Frau. »Vielen Dank. Mein Name ist Leslie Wetzon. Ich bin mit Arleen Grossman verabredet.«
    »Ja, Ms. Wesson. Wenn Sie bitte einen Moment warten wollen, ich hänge nur Ihren Mantel auf und bin sofort wieder da.«
    Wetzon lächelte, als die Frau an der Bar vorbei und dann eine Treppe hinunter zur Garderobe ging. Whitman, Wilson. Jetzt war sie auf einmal Ms. Wesson.
    Die Frau kam zurück und gab ihr eine Plastikmarke mit einer Nummer darauf. »Ms. Grossman hat vor kurzem angerufen und läßt ausrichten, daß sie aufgehalten wurde.«
    Verdammt! Das war wirklich ärgerlich. »Hat sie gesagt, wie lange sie noch braucht?«
    »Nein, tut mir leid. Am besten bringe ich Sie zu Ihrem Tisch. Vielleicht möchten Sie etwas trinken, während Sie warten.«
    »Ja, bitte.« Eigentlich wollte sie nichts anderes, als nach Hause zu gehen, zu duschen und die Beine hochzulegen, bis sie sich mit Teddy treffen mußte. Das hier war nichts als Zeit- und Energieverschwendung. Zum Teufel mit Smith.
    Die Frau führte sie an einem großen französischen Bauernschrank vorbei, in dem glänzende Marmeladen- und Konservengläser, verschiedene Senf- und Essigarten in hübschen Flaschen und Töpfchen ausgestellt waren. Auf jeder ebenen Fläche standen Vasen und irdene Krüge mit Schnittblumen, Lilien und Wiesenblumen. Sie gingen durch einen kleinen, fast privaten Raum mit wenig Charakter in einen größeren, quadratischen mit unverputzten Backsteinwänden und einem gewaltigen alten gemauerten Kamin.
    Auf den alten hölzernen Tischplatten standen ländliche Töpfe mit frischen Blumen. Große blau-weiße Geschirrtücher aus grobem Leinen standen als Servietten gefaltet bei jedem Platzgedeck neben langstieligen Weingläsern und Wasserbechern. Das gedämpfte Licht kam von Glühbirnen in einfachen kelchförmigen Glasschirmen. Irgendwie ging etwas Festliches und Fröhliches von der ganzen Einrichtung aus. Und etwas Unirdisches. Kultivierte Stimmen wurden laut und senkten sich zu diskretem Summen.
    Sie wurde an einen Tisch im hinteren Teil des Raumes geführt, nicht weit vom Kamin. Die vier derben Holzstühle hatten gepolsterte Sitze, und Wetzon wählte den Stuhl, von dem aus sie die Tür im Blick hatte. Sie sah sich um, während der Kellner die zwei überzähligen Gedecke ab räumte.
    Links von ihr saßen ein älteres und ein jüngeres Paar. Die Frauen sahen wie Mutter und Tochter aus, die gleiche spitze Nase, das gleiche fliehende Kinn. Die zwei Männer trugen Straßenanzüge und waren vermutlich Juristen, denn sie sprachen über die bittere Tatsache, daß schon wieder eine der großen überregionalen Kanzleien aufgelöst wurde.
    Am Tisch vor ihr saß ein junges Paar, das über die Tischplatte Händchen hielt. Sie ließen sich, offenbar widerstrebend, erst los, als der erste Gang serviert wurde.
    Sie dachte an Silvestri. Wie schön wäre es, ihn statt Alleen hier zu treffen. Andererseits würde er, wenn er hier wäre, sie nicht losziehen lassen, damit sie ihre Nase in etwas steckte, das sie nichts anging.
    Sie bestellte einen Perrier mit Zitrone. Arleen hatte schon fünfzehn Minuten Verspätung. Wetzon griff in die Einkaufstasche, um in ihrem Notizblock einen Blick auf die Termine des nächsten Tages zu werfen. Ihre Hand berührte den Minikassettenrecorder. Verdammt. Sie hatte ihn völlig vergessen. Smith würde sie umbringen. Sie zog die Tasche auf ihren Schoß und rückte das kleine Gerät so zurecht, daß sie leicht die Taste drücken könnte. Als sie den Kopf hob, sah sie Arleen Grossman von

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