Ruhe Sanft
dieses Thema einen Aufsatz für eine Fachzeitschrift, und ich habe selbstverständlich auch ausführliche Vorlesungen zu dem Thema gehalten. Vielleicht haben Sie das Interview gesehen, das Phil Donahue mit mir machte?«
»Ms. Wesson?« Die Frau im roten Seidenkleid sah Wetzon fragend an.
»Ja?«
»Da ist ein Anruf für Sie.«
»Für mich?« Nur Hazel und Smith wußten, daß sie hier war. »Entschuldigen Sie, Arleen. Wo ist das Telefon?«
»Ich zeige es Ihnen.« Die Frau im roten Seidenkleid führte sie durch das Restaurant an einem hölzernen Hängeregal voller Weinflaschen vorbei zur Treppe hinter der Bar. »In der Garderobe finden Sie einen Nebenanschluß.«
Wetzon ging die kurze Treppe hinunter. Geradeaus waren die Toiletten, rechts die Garderobe und ein Telefon mit abgehängtem Hörer. Sie ging zum Telefon. »Hallo?«
»Hat sie noch nichts gesagt?« Es war Smith, die sich verzweifelt anhörte.
»Smith, um Gottes willen, nein, sie hat nicht.«
»Hast du daran gedacht, das Band einzuschalten?« Sie atmete in kurzen Stößen.
»Hab’ ich. Wirklich, Smith, das ist lächerlich. Arleen ist einfach verrückt. Sie hat mir gerade diese irre Geschichte...«
»Ich kann jetzt nicht weitersprechen, Wetzon. Ruf mich nur an, wenn du gehst. Vergiß nicht, ich komme mit.« Es klickte, und Wetzon stand mit dem toten Hörer in der Hand verdattert da. Sie war davon überzeugt, daß Smith einen Nervenzusammenbruch hatte.
Aber die eigentliche Frage, die Wetzon durch den Kopf ging, war: Was will Arleen von mir?
Als Wetzon zum Tisch zurückkehrte, servierte der Kellner gerade das Hauptgericht.
»Hoffentlich nichts Schlimmes.« Arleen forschte mit beunruhigender Gründlichkeit in ihrem Gesicht.
»Nein. Bloß Geschäftliches. Ich hatte die Nummer des Restaurants im Büro hinterlassen, für alle Fälle.«
Wetzon kostete die Forelle. Sie schmeckte himmlisch.
»Ich glaube allerdings, daß ich einen Charakter gut beurteilen kann«, sagte Arleen, während sie ihr Rinderfilet aß. Sie brach ein großes Stück von dem knusprigen Weißbrot in Stücke und begann, den roten Saft von ihrem Teller aufzutunken. Fasziniert von dieser Gründlichkeit sah Wetzon zu.
»Ich möchte Ihnen sagen«, fuhr Arleen fort, »daß ich wirklich das Gefühl habe, daß ich Ihnen vertrauen kann. Ich weiß, daß Sie meine tiefsten Gefühle nachempfinden können.« Sie sah Wetzon an, als wolle sie sie hypnotisieren, während Hände und Mund sich mit dem blutgetränkten Brot befaßten. »Ich habe nur Ihr Bestes im Sinn. Sie glauben mir doch?«
»Ja, gewiß.« Wohin zum Teufel sollte das bloß führen?
»Dann werden Sie verstehen, daß das, was ich Ihnen jetzt sagen werde, in Ihrem eigenen Interesse ist und daß Sie es vertraulich behandeln.«
»Ja.« Nun machen Sie schon, verdammt.
Der Kellner kam mit Dessertkarten, und sie bestellten Kaffee und den Paris-Brest.
Wetzon kreuzte zwei Finger der linken Hand, die auf ihrem Schoß lag. »Ich verspreche es.« Du bist schlecht, dachte sie. Vertraust du denn keinem? Nein, antwortete sie stumm.
Arleen holte Luft und atmete langsam aus. Ihr Gesicht schwoll sichtlich. »Ihre Partnerin ist Ihr Feind.«
Wetzon hielt eine Hand hoch. »Warten Sie. Halt.«
Arleen sprach weiter, ein leichtes Lächeln um die Lippen. »Sie dürfen Xenia nicht trauen. Sie hat Probleme mit der Wahrheit. Sie sagt bei anderen schreckliche Dinge über Sie.«
Wetzon preßte die Hände auf die Ohren, hörte aber noch Arleens letzte Worte. »Sie ist eifersüchtig auf Sie, und sie wird versuchen, Sie zu vernichten.«
Es war unglaublich. Am liebsten hätte sie Arleen ins Gesicht geschrien: »Halten Sie sich aus meinem Leben heraus, lassen Sie mich in Ruhe«, aber sie war zu gut erzogen. Man machte in einem Restaurant einfach keine Szene. Aber man sollte.
Ihre Gedanken überstürzten sich: Smith hatte recht, man durfte Arleen Grossman nicht trauen. Wetzon legte die Hände an die Tischkante und schob den Stuhl zurück. Sie bemerkte die Frau im roten Seidenkleid erst, als sie neben Arleen stand.
»Ms. Grossman, Ihr Fahrer bat uns, Ihnen auszurichten, daß der Anruf, auf den Sie gewartet haben, durchgekommen ist.«
Arleen lächelte gütig, wobei ihr erstes Kinn in der Fülle des zweiten verschwand. »Wetzon, meine Liebe, hoffentlich nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich unseren wunderbaren Abend abkürze.« Sie sprach, als sei nichts gewesen, als habe sie diese schrecklichen Dinge nicht gesagt. »Ich habe auf diesen Anruf von meiner
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