Ruhe unsanft
Ihrer Stiefmutter? An einem Menschen, der in Ihrem Leben kaum eine Rolle gespielt hat?«
»Ich dachte«, sagte Gwenda, »ich könnte – wenn ich sie fände – von ihr etwas über meinen Vater erfahren.«
»Ja, ja, ich verstehe. Tut mir leid, dass ich Ihnen nicht viel nützen kann. Es ist zu lange her. Ich habe Gedäch t nislücken.«
»Als Arzt«, sagte Giles, »wissen Sie aber doch sicher, um welche Art Sanatorium es sich handelt? Tuberkul o se?«
Dr. Kennedys Gesicht erstarrte wieder zu einer hölze r nen Maske.
»Ja… Ja, ich glaube, so etwas war es.«
»Das dürfte leicht zu finden sein«, sagte Giles. »Vielen Dank, Sir, für diesen wertvollen Hinweis.«
Er stand auf, und Gwenda folgte seinem Beispiel. »Vi e len Dank«, sagte auch sie. »Und bitte, besuchen Sie uns bald einmal in ›Hillside‹.«
Sie gingen. Gwenda warf einen Blick über die Schulter zurück und sah Dr. Kennedy am Kamin lehnen. Er zup f te an seinem grau melierten Schnurrbart und starrte trübe vor sich hin.
»Er weiß mehr, als er uns sagen will«, meinte Gwenda beim Einsteigen ins Auto. »Es gibt da Hintergründe… ach, Giles! Ich wünschte, wir hätten nicht damit angefa n gen!«
Sie sahen einander an, und in jedem regte sich unausg e sprochen die gleiche Angst.
»Miss Marple hatte Recht«, sagte Gwenda. »Man soll schlafende Hunde nicht wecken.«
»Wir können ja immer noch damit aufhören«, meinte Giles unsicher. »Das wäre wahrscheinlich das Klügste, Liebling.«
»Wir stecken schon zu tief drin, Giles«, seufzte Gwe n da. »Wir würden dauernd grübeln und uns alles Mögliche einbilden. Wir müssen einfach Klarheit haben. Dr. Ke n nedy hat uns manches verschwiegen, weil er freundlich sein wollte, aber diese Art Güte nützt uns nichts. Wir müssen die ganze Wahrheit wissen, selbst wenn… wenn es mein Vater war, der…«
Ihre Stimme versagte.
8
A m nächsten Morgen waren sie gerade im Garten, als Mrs Cocker auf die Terrasse trat und rief: »Verzeihung, Sir – Sie werden am Telefon ve r langt, von einem Dr. Kennedy.«
Giles überließ Gwenda ihrem Gespräch mit dem alten Foster, ging ins Haus und nahm den Hörer auf.
»Giles Reed.«
»Hier ist Dr. Kennedy. Ich habe über unsere gestrige Unterhaltung nachgedacht, Mr Reed, und glaube, einige Tatsachen sollten Sie und Ihre Frau doch noch wissen. Sind Sie heute Nachmittag zuhause? Könnte ich vorbe i kommen?«
»Gewiss, gern. Um welche Zeit?«
»Um drei Uhr?«
»Danke, das passt ausgezeichnet.«
Inzwischen fragte Foster Gwenda im Garten: »Ist das der Dr. Kennedy, der früher drüben in West Cliff g e wohnt hat?«
»Wahrscheinlich. Kennen Sie ihn?«
»Er ist der beste Arzt hier gewesen. Aber Dr. Lazenby ist bei den Leuten beliebter. Hat immer ein paar freundl i che Worte oder einen Witz für einen übrig und möbelt einen auf. Dr. Kennedy dagegen war immer kurz ang e bunden und trocken – aber er verstand was von seinem Fach.«
»Wann hat er seine Praxis aufgegeben?«
»Das muss schon lange her sein, fünfzehn Jahre oder so. Er ist selber krank geworden, habe ich gehört.«
Giles trat durch die Glastür und antwortete auf Gwe n das stumme Frage:
»Er will uns heute Nachmittag besuchen.«
»Aha…« Sie wandte sich noch einmal an Foster. »H a ben Sie damals auch Dr. Kennedys Schwester gekannt?«
»Schwester? Ich weiß nicht recht – höchstens als ganz kleines Ding. Sie war ja meistens auf auswärtigen Schulen, und dann soll sie ins Ausland gefahren sein. Nach ihrer Heirat war sie dann nochmal eine Weile hier, habe ich gehört, aber dann ist sie angeblich mit irgendeinem Kerl durchgebrannt. Sie soll sehr wild gewesen sein. Ich weiß nicht, ob ich sie überhaupt mal mit eigenen Augen ges e hen habe. Ich war eine Zeit lang in Plymouth, wissen Sie.«
Gwenda bedankte sich für die Auskunft und ging mit Giles ans Ende der Terrasse.
»Warum will er kommen?«, fragte sie leise.
»Das werden wir heute Nachmittag um drei erfahren.«
Dr. Kennedy war pünktlich. Nachdem sie sich im Salon gesetzt hatten, sah er sich um und bemerkte: »Komisches Gefühl, wieder hier zu sein«, und kam dann ohne U m schweife zur Sache. »Ich habe den Eindruck, Sie beide sind fest entschlossen, das Sanatorium, in dem Kelvin Halliday starb, ausfindig zu machen und alle Details se i ner Krankheit und seines Todes zu ergründen?«
»Unbedingt«, sagte Gwenda.
»Die Adresse eines bestimmten Sanatoriums zu finden ist natürlich höchst einfach. Ich bin inzwischen zu der Einsicht
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