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Ruhe unsanft

Ruhe unsanft

Titel: Ruhe unsanft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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und da war ni e mand! Keine Tote auf dem Bett, keine Kampfspuren, die Tagesdecke makellos glatt. Eine reine Halluzination.«
    »Was hat mein Vater dazu gesagt?«
    »Er blieb bei seiner fixen Idee. Sie verstehen, er glaubte ehrlich daran. Ich gab ihm ein Beruhigungsmittel und legte ihn nebenan im Ankleidezimmer schlafen. Dann sah ich mich im Haus gründlich um und fand hier im Salon einen zerknüllten Abschiedsbrief von Helen im Papie r korb. Der Text war eindeutig. Er lautete ungefähr: ›Leb wohl, Kelvin, es tut mir leid, unsere Ehe war von Anfang an ein Irrtum. Darum verlasse ich dich mit dem einzigen Mann, den ich je geliebt habe. Verzeih, wenn du kannst.‹
    Offensichtlich war Kelvin nachhause gekommen, hatte den Zettel gefunden, war hinaufgelaufen und hatte einen Nervenzusammenbruch. Dann erschien er bei mir, um mich davon zu überzeugen, dass er Helen getötet hatte.
    Anschließend befragte ich das Dienstmädchen, das Ausgang gehabt hatte und spät zurückgekehrt war. Ich veranlasste sie, Helens Kleiderschrank und so weiter durchzusehen. Dabei stellte sich klar heraus, dass Helen einen Koffer und eine Reisetasche gepackt und mitg e nommen hatte. Sonst fand sich im ganzen Haus nichts Ungewöhnliches, am allerwenigsten eine Leiche oder irgendwelche Spuren von Gewalttätigkeit.
    Am nächsten Morgen hatte ich es sehr schwer mit Ke l vin, aber er sah schließlich ein, dass er sich den Mord nur eingebildet hatte – oder er tat so; jedenfalls willigte er ein, sich zur Behandlung in eine Pflegeanstalt zu begeben.
    Eine Woche später erhielt ich, wie gesagt, einen Brief von Helen. Er war in Biarritz aufgegeben worden. Sie schrieb, sie sei unterwegs nach Spanien. Ich sollte Kelvin bestellen, sie wünsche keine Scheidung. Er solle lieber möglichst rasch vergessen.
    Ich zeigte Kelvin den Brief. Er sagte nicht viel dazu, trieb aber nun seine anderen Pläne mit Nachdruck voran. Er bat die Angehörigen seiner ersten Frau telegrafisch, seine Tochter zu sich nach Neuseeland zu nehmen. Dann ordnete er alle seine Angelegenheiten und ging in eine sehr gute private Nervenheilanstalt. Sein Zustand ve r schlechterte sich jedoch weiter, und nach zwei Jahren starb er. Ich kann Ihnen die Adresse geben. Das Sanat o rium ist in Norfolk. Der jetzige Chefarzt war damals als junger Assistenzarzt dort und wird Ihnen den Fall Ihres Vaters wahrscheinlich in allen Einzelheiten schildern können.«
    »Sie sagten, Ihre Schwester hat Ihnen dann noch einmal geschrieben?«, erinnerte Gwenda.
    »Ja, ein halbes Jahr später. Der Brief kam aus Florenz und hatte als Absender Miss Kennedy, postlagernd. Sie schrieb, ihr sei inzwischen klar geworden, dass es unfair gegen Kelvin sei, keine Scheidung zu wollen. Ihr persö n lich läge nichts daran; aber wenn er sie wünsche, würde sie ihm die nötigen Beweise geben. Auch diesen Brief zeigte ich Kelvin, der sofort sagte, eine Scheidung sei nicht nötig. Das schrieb ich Helen unter der angegebenen Adresse. Seitdem habe ich nichts mehr von ihr gehört. Ich weiß nicht, wo sie jetzt lebt, ob sie überhaupt noch lebt oder ob sie tot ist. Sie können sich denken, wie mir Ihr Inserat in die Glieder fuhr und wie sehr ich hoffte, auf diesem Wege etwas über sie zu hören.«
    Leise fügte er hinzu: »Diese Enthüllungen müssen Sie sehr erschüttern, Gwennie. Aber Sie wollten es ja nicht anders. Ich wünschte, Sie hätten die Sache ruhen la s sen…«

9
     
    G iles brachte Dr. Kennedy hinaus. Als er in den Salon zurückkam, saß Gwenda noch auf de m selben Platz. Auf ihren Wangen brannten unn a türlich rote Flecke, und ihre Augen glänzten fiebrig.
    »Wie heißt es doch so schön?«, sagte sie. »Tod oder Wahnsinn! Darauf läuft alles hinaus – Tod oder Wah n sinn.«
    »Gwenda, Liebling!« Giles trat zu ihr und legte den Arm um sie. Ihr Körper fühlte sich verkrampft und steif an.
    »Warum haben wir nicht die Finger davon gelassen, wie alle klugen Leute uns geraten haben? Es war mein eigener Vater, der sie ermordet hat! Es war die Stimme meines Vaters, die das schauerliche Zitat sprach! Kein Wunder, dass es sich so tief in mein Gedächtnis eingegraben hat – dass die Angst wieder in mir aufgestiegen ist. Mein eig e ner Vater!«
    »Wir wissen es nicht.«
    »Natürlich wissen wir es! Er hat seinem Schwager selbst gestanden, dass er Helen erwürgt hat, oder etwa nicht?«
    »Aber Kennedy ist fest überzeugt, dass er es nicht getan hat.«
    »Nur weil er keine Leiche fand. Aber es gab eine Le i che, und ich habe sie

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