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Ruhe unsanft

Ruhe unsanft

Titel: Ruhe unsanft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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eine andere geheiratet?«
    »Nein«, antwortete Miss Marple. »Er lebt bei seiner Mutter. Am Wochenende bin ich dort zum Tee eingel a den.«
    »Halt, wir kennen noch jemand«, sagte Gwenda plöt z lich. »Erinnerst du dich, Giles? Dr. Kennedy sagte, sie hatte so was wie einen Flirt, als sie gerade mit der Schule fertig war, und zwar mit einem jungen Mann, den er nicht mochte – er bezeichnete ihn als unpassend. Ich frage mich, warum er das wohl war!«
    »Das sind schon zwei«, konstatierte Giles. »Jeder der beiden mag einen Groll gehegt und einen Racheplan au s gebrütet haben. Vielleicht hatte der erste Verehrer etwas auf dem Kerbholz.«
    »Dr. Kennedy würde uns das sicher erzählen können«, sagte Gwenda. »Nur ist es etwas peinlich, gerade ihn au s zufragen. Ich meine, es ist nichts dabei, solange ich mich nur nach dem Verbleib meiner Stiefmutter erkundige, die ich kaum gekannt habe. Es dürfte aber etwas befremdend wirken, wenn ich, das damalige kleine Mädchen, jetzt ein so übertriebenes Interesse für Helens erste Liebesaffären bekunde.«
    »Es gibt sicher andere Wege, an Informationen zu g e langen«, meinte Miss Marple. »Wir müssen nur genügend Zeit und Geduld aufbringen.«
    »Immerhin, zwei Kandidaten haben wir schon«, sagte Giles.
    »Ich glaube, wir können noch einen dritten in Betracht ziehen«, erwiderte Miss Marple. »Es ist nur eine Verm u tung, aber sie scheint mir durch den Gang der Ereignisse gerechtfertigt.«
    Gwenda und Giles sahen sie leicht überrascht an.
    »Es ist, wie gesagt, nur so eine Idee«, meinte Miss Marple, wobei das Rosa ihrer Wangen sich vertiefte. »H e len Kennedy fuhr nach Indien, um den jungen Fane zu heiraten. Zugegeben – sie war nicht gerade rasend ve r liebt in ihn, aber sie muss ihn gern genug gehabt haben, um sich ein Leben mit ihm vorstellen zu können. Doch kaum angekommen, bricht sie mit Fane und bittet ihren Bruder telegrafisch um das Reisegeld für die Heimfahrt. Warum?«
    »Na ja, sie hat sich’s eben anders überlegt«, antwortete Giles.
    Beide Damen, sowohl Miss Marple als auch Gwenda, betrachteten ihn mit leichter Verachtung. Gwenda sagte:
    »Das haben wir auch schon erraten, mein Lieber. Miss Marple fragt nach dem Grund!«
    »Junge Mädchen haben nun mal solche Launen…«
    »Unter bestimmten Umständen schon«, sagte Miss Marple mit jenem bedeutsamen Unterton, den alte D a men fertig bringen, ohne eine Silbe zu viel zu sagen.
    »Vielleicht hat Fane sich irgendwie danebenbeno m men…«, mutmaßte Giles, als Gwenda ihn ungeduldig unterbrach:
    »Natürlich kam ein andrer dazwischen!«
    Sie und Miss Marple sahen sich verschwörerisch an, wie Angehörige eines Geheimbundes, von dem Männer au s geschlossen sind.
    »Schon bei der Ausreise«, fügte Gwenda mit Überze u gung hinzu.
    »Auf Schiffen kommt man sich schnell näher«, seku n dierte Miss Marple.
    »Mondschein auf Deck«, sagte Gwenda, »und alles, was dazugehört. Nur – es muss eine ernsthafte Sache gewesen sein, mehr als ein kleiner Reiseflirt.«
    »Eine sehr ernste Sache«, bekräftigte Miss Marple.
    »Warum«, fragte Giles etwas ärgerlich, »warum hat sie den Burschen dann nicht geheiratet?«
    »Vielleicht erwiderte er ihre Gefühle nicht«, sagte Gwenda langsam, schüttelte dann aber den Kopf. »Nein, in diesem Fall hätte sie Walter Fane erst recht geheiratet. Oh – wie dumm, dass ich nicht gleich daran gedacht h a be! Der Mann war schon verheiratet!«
    Sie blickte triumphierend auf Miss Marple, die ihr be i pflichtete: »Ja. So würde ich es auch rekonstruieren. Sie verliebten sich ineinander, wahrscheinlich ging das G e fühl sehr tief, aber er war verheiratet und womöglich V a ter und dazu ein Mensch mit einem Gewissen. Nun, und das war das Ende vom Lied.«
    »Und nach diesem Erlebnis konnte sie natürlich den Gedanken an eine Ehe mit Walter Fane nicht mehr ertr a gen«, meinte Gwenda. »Sie telegrafierte ihrem Bruder und fuhr zurück. Und auf dem Schiff lernte sie meinen Vater kennen.« Sie machte eine nachdenkliche Pause. »Diesmal war von leidenschaftlicher Liebe keine Rede, aber sie fühlten sich zueinander hingezogen – Leidensgenossen, die sich gegenseitig trösteten. Mein Vater erzählte von seiner toten Frau, und vermutlich vertraute auch sie ihm ihren Liebeskummer an… Ja, natürlich!« Sie griff nach dem Oktavheft und blätterte hastig darin. »Da steht es schwarz auf weiß: ›… ich wusste, dass ein anderer in i h rem Leben war, ein Liebhaber, ich wusste es. Auf dem

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