Ruhe unsanft
erst aus Indien zurückgekehrt. Sie hatten eine Köchin, die mir ein wundervolles Rezept für Apfe l auflauf und Pfefferkuchen verriet. Ich frage mich oft, was wohl aus ihr geworden sein mag.«
»Das war sicher Edith Pagett, Madam. Sie ist immer noch hier in Stellung – im ›Windrush Lodge‹.«
»Dann kannte ich noch ein paar andere Leute. Die F a nes zum Beispiel. Er war, glaube ich, Rechtsanwalt.«
»Der alte Mr Fane ist vor einigen Jahren gestorben. Der junge Mr Fane, Walter Fane, hat die Anwaltskanzlei ü bernommen. Er ist unverheiratet und lebt bei seiner Mu t ter.«
»Ach? Ich dachte, der junge Fane sei Teepflanzer in I n dien geworden – oder so etwas Ähnliches.«
»Das stimmt schon, Madam. Als sehr junger Mann war er eine Zeit lang drüben. Er kam nach etwa zwei Jahren zurück und trat in die Firma seines Vaters ein. Sie genießt in weitem Umkreis den besten Ruf. Mr Walter Fane ist überall sehr beliebt – so still und bescheiden, wie er ist.«
»Richtig, jetzt erinnere ich mich!«, rief Miss Marple. »War er nicht mit Miss Kennedy verlobt? Aber dann brach sie plötzlich mit ihm und heiratete Major Halliday.«
»Das stimmt, Madam.« In den Ton der Verkäuferin schlich sich eine leicht missbilligende Note ein. »Sie fuhr nach Indien, um ihn zu heiraten, aber dann änderte sie ihren Sinn und heiratete den andern.«
Miss Marple beugte sich vor und senkte vertraulich die Stimme.
»Wissen Sie, ich habe die Mutter des Majors gekannt. Er und seine kleine Tochter haben mir immer so leidg e tan. Die zweite Frau ist ihm doch mit einem andern d a vongelaufen? Ein ziemlich leichtfertiges junges Ding, scheint mir.«
»Genau das war sie, wenn Sie mich fragen. Und dabei ist ihr Bruder, der Arzt, so ein feiner Mann. Hat mir bei meinem Gelenkrheuma wunderbar geholfen.«
»Mit wem ist sie eigentlich durchgebrannt? Ich habe es nie erfahren.«
»Das kann ich Ihnen auch nicht sagen, Madam. Es hieß, es sei einer von den Sommerfrischlern gewesen. Ich weiß nur, dass Major Halliday ganz gebrochen war. Er ist von Dillmouth weggezogen; seine Gesundheit soll ruiniert gewesen sein. Ihr Wechselgeld, Madam.«
Miss Marple nahm Kleingeld und Ware an sich.
»Vielen Dank«, sagte sie. »Ob Edith Pagett, die Köchin, wohl noch das vorzügliche Pfefferkuchenrezept hat? Ich habe es verloren, und ich mochte diese Sorte so beso n ders gern.«
»Das könnten Sie sicher wiederbekommen, Madam. I h re Schwester wohnt gleich nebenan; sie ist mit dem Ko n ditor Mountford verheiratet. Edith besucht sie meistens, wenn sie Ausgang hat. Mr Mountford wird ihr gern Ihren Wunsch ausrichten.«
»Das ist eine Idee! Vielen, vielen Dank für Ihre Mühe!«
»Keine Ursache, Madam, es war mir ein Vergnügen.«
Miss Marple ging. Ein nettes altmodisches Geschäft, dachte sie auf der Straße, die Unterhemden sind ganz hübsch und brauchbar; ich habe kein Geld zum Fenster hinausgeworfen. Sie sah auf die kleine, blassblau emai l lierte Uhr, die seitlich an ihrem Kleid befestigt war. In fünf Minuten musste sie im »Ginger Cat« sein, um ihre Verabredung mit dem jungen Paar pünktlich einzuhalten. Hoffentlich war der Besuch im Sanatorium nicht zu au f regend gewesen, überlegte sie.
Giles und Gwenda saßen schon an einem Ecktischchen, das schwarze Oktavheft vor sich, als Miss Marple von der Straße hereinkam und sich zu ihnen gesellte.
»Was möchten Sie haben, Miss Marple? Kaffee?«
»Ja, bitte. Aber keinen Kuchen – lieber ein Milchbrö t chen mit Butter.«
Giles gab die Bestellung auf, und Gwenda schob Miss Marple das kleine schwarze Heft hin.
»Sie müssen es erst lesen, dann können wir uns über a l les unterhalten. Es sind Tagebuchaufzeichnungen meines Vaters, die er vor seinem Tod im Sanatorium geschrieben hat. Ach, Giles, vor allem erzähl Miss Marple, was der Arzt gesagt hat!«
Giles tat es, fast wörtlich und ohne eigenen Komme n tar. Dann öffnete Miss Marple das Oktavheft und begann zu lesen, während die Kellnerin dünnen Kaffee, Brö t chen, Butter und ein paar Scheiben Kuchen brachte. G i les und Gwenda beobachteten schweigend Miss Marples Gesicht. Schließlich klappte sie das Heft zu und legte es hin. In ihrer Miene war schwer zu lesen. Sie sah beinahe zornig aus, wie Gwenda fand. Ihre Lippen waren fest aufeinander gepresst, und ihre Augen funkelten auf eine Art, die eingedenk ihres Alters ungewöhnlich war.
»Also, das ist doch…«, murmelte sie. »Da haben wir es!«
»Sie haben uns gleich zu Anfang geraten«, sagte Gwe
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