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Ruhelos

Ruhelos

Titel: Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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dich. Ich will dich heiraten. Ich will dich als Frau. In sechs Monaten komme ich von meinem ersten Einsatz zurück. Ich habe einen sehr guten Job, ein sehr gutes Gehalt.«
    »Bitte sag nichts mehr, Hamid. Gehen wir zurück an die Bar.«
    Die letzte Bestellung wurde ausgerufen, aber ich wollte keinen Wodka mehr. Ich suchte in meiner Handtasche nach einer letzten Zigarette, fand sie und schaffte es, sie einigermaßen gekonnt anzuzünden. Hamid war durch ein paar seiner iranischen Freunde abgelenkt, sie verständigten sich kurz in Farsi. Ich schaute sie mir an, diese hübschen gebräunten Männer mit ihren Vollbärten, und sah, dass sie sich aufmerkwürdige Art die Hände schüttelten – mit hochgereckten, zupackenden Daumen – und dann den Griff geschickt änderten, als würden sie irgendein verstecktes Signal austauschen, sich als Mitglieder eines geheimen Zirkels zu erkennen geben. Dieser Gedanke jedenfalls muss es gewesen sein, der mir die Aufforderung von Frobisher ins Gedächtnis rief, und aus irgendeinem dummen, von Selbstüberhebung und Trunkenheit beherrschten Impuls beschloss ich, der Sache nachzugehen.
    »Hamid«, sagte ich, als er sich wieder neben mich setzte, »glaubst du, dass es SAVAK-Agenten in Oxford geben könnte?«
    »Was? Was sagst du da?«
    »Ich meine, glaubst du, dass einige dieser Ingenieure nur so tun, als wären sie Studenten, in Wirklichkeit aber für den SAVAK arbeiten?«
    Sein Gesicht veränderte sich, er setzte eine todernste Miene auf.
    »Ruth, bitte, reden wir nicht von solchen Dingen.«
    »Aber wenn du einen verdächtigst, kannst du’s mir sagen. Ich halte dicht.«
    Ich missdeutete seinen Gesichtsausdruck – das zumindest ist die einzige Erklärung für das, was ich als Nächstes sagte. Ich glaubte, etwas in ihm angerührt zu haben.
    »Du kannst es mir ruhig sagen, Hamid«, flüsterte ich und beugte mich näher zu ihm. »Ich werde nämlich für die Polizei arbeiten, verstehst du? Sie wollen, dass ich ihnen helfe. Mir kannst du’s sagen.«
    »Was soll ich sagen?«
    »Bist du beim SAVAK?«
    Er schloss die Augen und hielt sie geschlossen, als er sagte: »Mein Bruder ist vom SAVAK ermordet worden.«
     
    Neben den Mülltonnen hinter dem Pub versuchte ich, mich zu übergeben, aber es ging nicht, außer Würgen und Spucken brachte ich nichts zustande. Man denkt immer, nach dem Erbrechen fühlt man sich besser, aber in Wirklichkeit fühlt man sich noch viel schlechter – und trotzdem versucht man, den Mageninhalt loszuwerden. Ich ging mit vorsichtigen Schritten zum Auto und überzeugte mich, dass es abgeschlossen war, dass nichts auf den Sitzen lag, was zum Diebstahl verleiten konnte, dann machte ich mich auf den langen Weg nach Summertown. Freitagnacht in Oxford – keine Aussicht auf ein Taxi. Ich würde einfach zu Fuß gehen, und vielleicht nüchterte mich das aus. Und Hamid würde morgen abdüsen nach Indonesien.

Die Geschichte der Eva Delektorskaja
London 1942
    Eva Delektorskaja registrierte, dass Alfie Blytheswood das Seitenportal von Electra House verließ und in einem kleinen Pub in der Nähe des Victoria Embankment, dem Cooper’s Arms, verschwand. Sie gab ihm fünf Minuten, dann folgte sie ihm hinein. Blytheswood stand mit ein paar Freunden an der Bar und trank sein Bier. Eva, die Brille und Baskenmütze trug, ging ebenfalls an die Bar und bestellte einen trockenen Sherry. Blytheswood brauchte sich nur umzudrehen, um sie zu entdecken, doch sie war sicher, dass er sie nicht erkennen würde, ihr Bubikopf und ihre Haarfarbe würden sie für ihn unkenntlich machen. Dennoch hatte sie, ein wenig unsicher geworden, im letzten Moment die Brille aufgesetzt. Aber ihre Tarnung, ihre neue Rolle musste auf die Probe gestellt werden. Sie setzte sich mit ihrem Sherry an den Tisch neben dem Ausgang und nahm sich die Zeitung vor. Als Blytheswood ging, vorbei an ihrem Tisch, warf er nicht einmal einen Blick auf sie. Sie folgte ihm zu seiner Bushaltestelle und wartete in der Schlange. Blytheswood hatte eine lange Fahrt vor sich, nordwärts bis nach Barnet, wo er mit Frau und drei Kindern lebte. Eva wusste das, weil sie ihn schon seit drei Tagen beschattete. In Hampstead wurde ein Sitz hinter ihm frei, und Eva nahm lautlos Platz.
    Blytheswood döste vor sich hin, sein Kopf sackte mehrere Male nach vorn und ruckte wieder hoch. Eva legte die Hand auf seine Schulter.
    »Dreh dich nicht um, Alfie«, sagte sie ihm leise ins Ohr. »Du weißt, wer ich bin.«
    Blytheswood war völlig starr und

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