Ruhelos
den Knochen verletzt? Ich fluchte wüst – komisch, wie ein Schwall von »fucks«, »bastards« und »cunts« zur sofortigen Schmerzlinderung beitragen kann. Aber wenigstens hatte ich Hamid auf diese Weise aus meinem Kopfverscheucht.
»Oh, hallo, Ruth, du bist es.«
Ich schaute mich benommen um und sah Ludger dastehen, in Jeans, aber ohne Hemd. Hinter ihm ein schmuddlig wirkendes Mädchen in T-Shirt und Slip. Sie hatte fettiges Haar und einen breiten, schlaffen Mund, der auf seine schmollende Art schön war.
»Das ist Ilse. Sie hat keine Unterkunft. Was sollte ich machen?«
Die Geschichte der Eva Delektorskaja
New York 1941
Romer war ein robuster, unkomplizierter Liebhaber – außer in einem Punkt: Wenn er und Eva sich liebten, zog er sich mitten im Akt aus ihr zurück, hockte sich neben sie, streifte Decken und Betttücher, und was da sonst noch im Weg war, beiseite und betrachtete Eva so nackt, wie sie ausgebreitet vor ihm lag, dann seine eigene feucht glänzende Erektion, um schließlich, nach ein paar Sekunden, langsam und behutsam wieder in sie einzudringen. Eva begann sich schon zu fragen, ob ihn der Akt der Penetration mehr erregte als der nachfolgende Orgasmus. Einmal, nachdem er es zweimal hintereinander getan hatte, hatte sie gesagt: »Aber pass auf – ich warte nicht ewig.« Seitdem beschränkte er sich im Wesentlichen auf einen dieser kontemplativen Rückzüge pro Akt. Eva musste allerdings zugeben, dass diese kleine Eigenheit auch für sie etwas Erregendes hatte.
An diesem Morgen hatten sie sich geliebt, recht zügig, ohne Unterbrechung und zu beider Befriedigung. Sie waren in Meadowville, einer Kleinstadt bei Albany, und wohnten im Windermere Hotel in der Market Street. Eva zog sich an, Romer lag majestätisch auf dem Bett, nackt, ein Bein angewinkelt, die Laken über seinen Schoß gebreitet, die Finger hinter dem Kopf verschränkt. Eva befestigte die Strumpfhalter, stieg in den Rock und zog ihn hoch.
»Wie lange bist du weg?«, fragte Romer.
»Eine halbe Stunde.«
»Und du sprichst nicht mit ihm?«
»Nicht seit dem ersten Treffen. Er glaubt, ich komme aus Boston und arbeite für den NBC.«
Sie knöpfte die Jacke zu und prüfte ihre Frisur.
»Ich kann hier nicht den ganzen Tag rumliegen«, sagte Romer. Er stieg aus dem Bett und tapste in Richtung Badezimmer.
»Wir sehen uns am Bahnhof«, sagte sie, griff nach der Handtasche und der Herald Tribune und blies ihm einen Kuss zu. Aber als er im Bad verschwunden war, legte sie beides wieder hin und durchsuchte schnell die Taschen seiner Jacke, die hinter der Tür hing. Sein Portemonnaie war prall von Dollars, aber sonst gab es nichts von Bedeutung. Sie schaute in seine Aktentasche: fünf verschiedene Zeitungen (drei amerikanische, eine spanische, eine kanadische), ein Apfel, das Buch Tess von d’Urbervilles und eine zusammengerollte Krawatte. Sie war nicht sicher, warum sie das tat – und ohnehin überzeugt, dass Romer niemals irgendetwas Interessantes oder Verfängliches bei sich tragen würde, auch Notizen schien er sich nie zu machen –, aber sie hatte das Gefühl, dass er es fast von ihr erwartete und es für eine Nachlässigkeit halten würde, wenn sie diese Gelegenheit ungenutzt ließ (und sie war sicher, dass er es bei ihr genauso machte). Daher schnüffelte und stocherte sie immer ein bisschen herum, wenn sich die Chance ergab.
Sie ging hinunter zum Coffeeshop. Er war dunkelbraun getäfelt. Kleine Abteile mit roten Lederbänken zogen sich an beiden Wänden entlang. Sie studierte das Angebot der Muffins, Kuchensorten, Bagels und Kekse und staunte einmal mehr über die amerikanische Genussfreude und Großzügigkeit, wenn es um Essen und Trinken ging. Sie verglich das Frühstück, das sie hier im Coffeeshop des Hotel Windermere erwartete, mit ihrem letzten Frühstück in England, in Liverpool, bevor sie sich nach Kanada eingeschifft hatte: eine Tasse Tee, zwei dünne Scheiben Toast mit Margarine und wässriger Himbeermarmelade.
Sie hatte Hunger – zu viel Sex, dachte sie – und bestellte Spiegeleier, leicht überbraten, Bratkartoffeln und Schinken, während ihr die Frau des Wirts dampfenden Kaffee eingoss.
»Kaffee, so viel Sie möchten«, erinnerte sie überflüssigerweise – überall kündeten Schilder von dieser Großzügigkeit.
»Ich danke Ihnen«, sagte Eva demütiger als beabsichtigt.
Sie verzehrte ihr Frühstück mit Heißhunger, blieb danach noch sitzen und trank zwei weitere Tassen Gratiskaffee, bevor Wilbur Johnson am
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