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Ruhelos

Ruhelos

Titel: Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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London gefahren, »einen Freund besuchen«.
    »Ich nehme eine Coke«, sagte sie.
    »Wann hast du mit dem Trinken aufgehört?«, fragte ich beim Gang in die Küche. »Im Krieg hast du sicher eine Menge getrunken.«
    »Ich glaube, du weißt, warum«, erwiderte sie trocken und folgte mir. Sie ließ sich das Glas reichen und trank, aber ich sah, wie es in ihr arbeitete. »Eigentlich kannst du die Nummer gleich anrufen«, sagte sie und wirkte plötzlich unternehmungslustig. »So machst du es: Du sagst, du willst mit ihm über AAS Ltd. reden. Das müsste funktionieren.«
    »Bist du sicher?«, fragte ich. »Es könnte sein, dass du eine Büchse mit ekelhaften Würmern öffnest.«
    »Genau das will ich ja«, sagte sie.
    Ein wenig zögerlich wählte ich die Londoner Nummer. Es klingelte und klingelte. Ich wollte gerade auflegen, da meldete sich eine Frauenstimme.
    »Büro Lord Mansfield.«
    Ich erklärte, wer ich war und dass ich gerade einen Brief von Lord Mansfield erhalten hatte.
    »Ah ja. Es tut mir sehr leid, aber Lord Mansfield ist im Ausland, und er gewährt grundsätzlich keine Interviews.«
    So also, dachte ich. Er »gewährt« keine Interviews. Die Stimme klang abgehackt und adlig – ob das Anna Orloggi war?
    »Wenn Sie so nett wären, ihm zu übermitteln«, sagte ich, um die adligen Qualitäten meiner eigenen Stimme zur Geltung zu bringen, »dass ich ihm einige Fragen über AAS Ltd. stellen möchte.«
    »Ich fürchte, das ändert nichts.«
    »Und ich fürchte, das ändert sehr wohl etwas, wenn Sie es ihm nicht sagen, nämlich an der Fortdauer Ihrer Beschäftigung. Ich weiß genau, dass er zustimmen wird. AAS Ltd. – es ist sehr wichtig. Meine Telefonnummer steht auf meinem Anschreiben. Ich wäre Ihnen sehr verbunden.«
    »Ich kann nichts versprechen.«
    »AAS Ltd. Bitte nicht vergessen. Danke, auf Wiedersehen.« Ich legte auf.
    »Junge, Junge«, sagte meine Mutter. »Dich möchte ich nicht an der Strippe haben.«
    Als wir wieder in der Küche waren, zeigte ich ihr die neuen Gartenmöbel, die sie pflichtgemäß bewunderte, aber sie war nicht bei der Sache.
    »Jetzt bin ich sicher, dass er sich meldet«, sagte sie nachdenklich. »Dem kann er nicht widerstehen.« Dann wechselte sie das Thema: »Und wie war deine Verabredung?«
    Ich erzählte ihr von Hamid und seiner Liebeserklärung.
    »Das ist ja himmlisch«, sagte sie. »Magst du ihn?«
    »Ja, sehr. Aber ich liebe ihn nicht.«
    »Schäm dich. Aber ist er nett?«
    »Das schon. Aber er ist Moslem, Sal, und er geht bald nach Indonesien. Ich merke schon, worauf du hinauswillst. Nein, er wird nicht Jochens Stiefvater.«
    Zum Essen wollte sie nicht bleiben, aber ich musste versprechen, sofort anzurufen, wenn ich etwas von Romer hörte. Hamid kam zu seiner Stunde und hatte sich anscheinend gefangen. Wir schlugen ein neues Kapitel auf- die Ambersons, kaum von ihrem verpatzten Urlaub auf Corfe Castle zurück, müssen erleben, dass Rasputin wegläuft – und drangen in die Geheimnisse des Present Perfect Progressive ein. »Rasputin has been acting a little strangely lately.« – »The neighbours have been complaining about his barking.« In Darlington Crescent hält die Angst vor Giftmord Einzug.
    Beim Abschied lud mich Hamid erneut zum Essen ins Brown’s ein, für den Freitagabend, aber ich sagte sofort, ich hätte zu tun, und er nahm es mir ab: Offenbar hatte sich seine Aufregung ein wenig gelegt, aber die erneute Einladung machte mir klar, dass die Sache noch nicht ausgestanden war.
     
    Veronica und ich – die beiden alleinerziehenden Schlampen – standen vor Grindle’s, rauchten und warteten auf unsere Kinder.
    »Was macht Sally?«, fragte Veronica. »Geht’s ihr besser?«
    »Ich glaube schon«, erwiderte ich. »Aber es gibt noch Grund zur Sorge. Sie hat ein Gewehr gekauft.«
    »Mein Gott …«
    »Um Kaninchen zu schießen, sagt sie. Und die Geschichte ihrer Kriegserlebnisse wird immer … verrückter.«
    »Glaubst du ihr?«
    »Ja, das tue ich«, sagte ich, als würde ich ein Verbrechen gestehen. Ich hatte lange überlegt, aber die Geschichte der Eva Delektorskaja war zu gut gefügt, zu detailliert und genau, um das Produkt eines kranken Verstandes zu sein, geschweige denn eines kranken Verstandes am Rande der senilen Demenz. Mich hatte die Lektüre der regelmäßig eintreffenden Fortsetzungen verstört, weil sich Sally und Eva nicht zu einer Person fügen wollten. Als ich las, dass Eva mit Mason Harding geschlafen hatte, um ihn erpressbar zu machen, konnte ich

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