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Ruhelos

Ruhelos

Titel: Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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bisschen nachlässig geworden.«
    »Stimmt«, sagte sie und schaute zu, wie er in sein riesiges Sandwich biss. Nichts von dieser Größe hat man je auf den Britischen Inseln gesehen, dachte sie. Er kaute und schluckte eine ganze Weile, bevor er wieder sprach.
    »Ich wollte dir sagen, dass man zufrieden ist wegen Washington. Die Komplimente habe alle ich eingesteckt, aber ich wollte dir sagen, dass du deine Sache gut gemacht hast, Eva. Sehr gut sogar. Glaub nicht, dass ich das für selbstverständlich halte. Oder dass wir das für selbstverständlich halten.«
    »Danke.« Was sie empfand, war nicht unbedingt ein warmes Gefühl der Zufriedenheit.
    »›Gold‹ ist auf dem besten Wege, unser Goldjunge zu werden.«
    »Gut«, sagte sie, dann nachdenklich: »Ist er schon …«
    »Gestern ist er aktiviert worden.«
    »Oh.« Eva stellte sich vor, wie jemand Fotos vor Mason ausbreitete, dazu sein verdutztes Gesicht. Sie sah ihn sogar weinen und fragte sich, was er jetzt von ihr denken mochte. »Was, wenn er mich anruft?«
    »Er wird dich nicht anrufen.« Nach einer kurzen Pause sagte Romer: »Wir sind noch nie so nahe am Chef dran gewesen. Das ist dein Verdienst.«
    »Vielleicht brauchen wir ihn nicht lange«, mutmaßte sie, wie um ihre wachsenden Schuldgefühle zu beschwichtigen, den Makel, der auf ihr lastete, ein wenig zu verringern.
    »Wie kommst du darauf?«
    »Die Versenkung der Reuben James.«
    »Die scheint in der Öffentlichkeit keine spürbare Wirkung zu hinterlassen«, sagte Romer mit einigem Sarkasmus. »Die Leute interessieren sich mehr für die Football-Ergebnisse von Army gegen Notre Dame.«
    »Aber wieso? Da sind hundert junge Matrosen ertrunken, um Gottes willen.«
    »Dass amerikanische Schiffe von U-Booten versenkt werden, damit hat man sie schon in den letzten Krieg hineingezogen«, sagte er und schob kapitulierend zwei Drittel seines Sandwiches fort. »Die Amerikaner haben ein gutes Gedächtnis.«
    Er lächelte, aber sein Lächeln war unangenehm. Überhaupt ist er in seltsamer Stimmung heute, dachte sie und spürte fast so etwas wie Wut in sich aufsteigen.
    »Sie wollen diesen Krieg nicht, Eva, egal was ihr Präsident oder Harry Hopkins oder Gale Winant denkt.« Er zeigte auf die Leute im Lokal, Männer und Frauen nach Feierabend, lachende, schnatternde Kinder, mit ihren riesenhaften Sandwiches und ihren sprudelnden Drinks. »Das Leben ist gut hier. Sie sind glücklich. Sollen sie das wegen eines Krieges, der dreitausend Meilen weit weg ist, alles aufs Spiel setzen? Würdest du das tun?«
    Sie fand keine überzeugende Antwort darauf.
    »Ja, aber was ist mit der Landkarte?«, warf sie ein, spürte jedoch schon, dass sie nicht gegen ihn ankam. »Ändert die nicht alles?« Sie suchte weiter nach Argumenten. »Und Roosevelts Rede. Der Krieg rückt näher, das können sie nicht leugnen. Panama ist der Hinterhof der USA.«
    Romer jedoch ging mit einem leichten Lächeln über ihre Anstrengungen hinweg.
    »Ja, schon. Ich muss zugeben, das mit der Karte freut uns sehr. Wir hätten nie gedacht, dass es so schnell und reibungslos funktioniert.«
    Sie zögerte kurz, bevor sie ihre Frage stellte, um so unbeteiligt wie möglich zu wirken. »Kommt die Karte etwa von uns? Willst du das damit sagen?«
    In Romers Blick lag milder Tadel, als hätte sie ihre Lektion nicht gelernt. »Natürlich. Hier die Story: Ein deutscher Kurier hatte einen Autounfall in Rio de Janeiro. Ein leichtsinniger Mensch. Er kam ins Krankenhaus, in seiner Aktentasche befand sich diese faszinierende Karte. Ziemlich billig, nicht wahr? Eigentlich hatte ich keine Lust, mich auf diese Story einzulassen, aber unsere Freunde haben sie offenbar gefressen, mit Haut und Haar.« Er schwieg kurz. »Übrigens, ich möchte, dass du das morgen über Transoceanic verbreitest. An alle Empfänger. Quelle US-Regierung, Washington, D. C. Hast du Stift und Papier?«
    Eva kramte Notizblock und Bleistift aus ihrer Handtasche und stenographierte Romers Aufzählung: fünf neue Staaten auf dem südamerikanischen Kontinent, wie sie von Roosevelts Geheimkarte definiert wurden. »Argentinien« umfasste jetzt Uruguay und Paraguay und die Hälfte Boliviens. Zu »Chile« zählte die andere Hälfte Boliviens und ganz Peru. »Neu-Spanien« bestand aus Kolumbien, Venezuela, Ecuador und vor allem dem Panamakanal. Nur »Brasilien« blieb im Wesentlichen, wie es war.
    »Ich muss sagen, es war ein hübsches Dokument: ›Argentinien, Brasilien, Neu-Spanien‹ – und schon dicht

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