Ruheloses Herz
Adrenalinstoß, den sie üblicherweise morgens verspürte, blieb heute aus, deshalb machte sie sich müde und mit einem dumpfen Gefühl im Kopf an ihre morgendlichen Arbeiten.
Daran ist bloß Brian schuld, dachte sie. Seine Widersprüchlichkeit, dieses Hin und Her zwischen Nähe und Distanz brachte sie ganz durcheinander. Sie hatte sich noch nie einem Problem gegenübergesehen, das sie nicht hätte lösen, noch keinem Hindernis, das sie nicht hätte überwinden können. Doch diesmal, bei diesem Mann, war alles irgendwie anders.
Er verletzte sie, und darauf war sie nicht vorbereitet gewesen. Konnte es wirklich sein, dass sie so viel Zeit miteinander verbracht hatten und intim miteinander geworden waren, ohne sich wirklich zu verstehen? Er empfand etwas für sie, und das war für ihn ein Problem. Wo war da die Logik? Sie verstand ihn einfach nicht.
Für jemand anders etwas zu empfinden veränderte alles. Sie hatte diesen nie versiegenden Quell von Mitgefühl, der in ihm sprudelte, gesehen. Den sie, wie sie zugeben musste, genauso anziehend fand wie diesen langen, harten Körper und diese ungebändigte dunkle Mähne.
Allein sein Äußeres, diese scharf geschnittenen Züge, die kühn blickenden grünen Augen, hätte ihr Blut durchaus in Wallung bringen können – und hatte es auch getan, worüber sie anfangs mehr verärgert als erfreut gewesen war. Und doch waren es sein Mitgefühl, seine Geduld und diese fürsorgliche Seite, die anzuerkennen er sich weigerte, die ihr Interesse und ihren Respekt geweckt hatten.
Für sie war es im Gegensatz zu ihm kein Problem, sondern die Lösung.
Wie konnte er, nachdem sie das alles miteinander geteilt hatten, in ihr nichts anderes als die verwöhnte Tochter privilegierter Eltern sehen?
Wie konnte er, wenn er dies glaubte, überhaupt irgendetwas für sie empfinden?
Es ist verwirrend, zu irritierend und macht mich fast wütend, wenn ich nicht so verdammt müde wäre, überlegte sie gähnend.
Als Mo energiegeladen in den Stall stürmte, wurde Keeley die Müdigkeit, mit der sie zu kämpfen hatte, noch deutlicher bewusst. »Ich wollte nur kurz reinschauen, bevor ich im Fegefeuer der Schule verbrenne.« Sie platzte in die Box, in der Keeley das verletzte Knie des Wallachs untersuchte. »Wie geht es ihm?«
»Schon besser, glaube ich.« Keeley hob den Vorderfuß des Tieres, beugte das Knie. Das Pferd schnaubte ungehalten und scheute zurück. »Obwohl er immer noch Schmerzen hat, wie man sieht.«
»Armer Junge. Armer großer Junge.« Mo tätschelte seine Flanke. »Das war gestern Abend wirklich echt heldenhaft von dir, Keeley. Ich meine, dass du da so einfach dazwischengegangen bist und diesem Kerl gezeigt hast, wo der Hammer hängt. Ich hab ja gleich gewusst, dass du das tust.«
Keeley zog die Augenbrauen zusammen. »Ich habe doch niemand gezeigt, wo der Hammer hängt.«
»Na klar, das machst du doch immer. Fand ich echt cool. Und der Bursche hier wird dir bis in alle Ewigkeit dankbar sein, stimmt doch, alter Junge, oder? Oh, und dieser Kerl war auch nicht übel.« Sie erschauerte gespielt. »Der Supertyp. Ich dachte schon, er verpasst diesem Blödmann von Tarmack einen saftigen Kinnhaken. Ein bisschen habe ich es fast gehofft. Auf jeden Fall wart ihr beide ein Spitzenteam.«
»Vermutlich.«
»Und was hatte es mit diesen feurigen Blicken auf sich?«
»Was denn für feurige Blicke?«
»Na hör mal.« Mo wackelte belustigt mit den Augenbrauen. »Ich hab mich ja fast versengt, obwohl ich bloß ganz unschuldig danebenstand. Der Kerl hat dich angehimmelt, als wärst du der letzte Schokoriegel im Regal und als müsste er vergehen, wenn er nicht auf der Stelle ’nen Schokoschuss kriegt.«
»Das ist ja völlig lächerlich.«
»Von wegen! Um dir Genugtuung zu verschaffen, war er drauf und dran, Tarmack in den Staub zu werfen. Mann, war das vielleicht romantisch! Als er den Kerl am Kragen gepackt hat, wäre ich fast dahingeschmolzen.«
»An einer Auseinandersetzung ist überhaupt nichts romantisch. Aber obwohl ich mit Tarmack natürlich auch allein fertig geworden wäre, war ich doch ganz froh, dass Brian sich eingemischt hat.«
Verdammt! Und sie hatte sich nicht einmal bei ihm bedankt. Mit finsterer Miene verließ Keeley die Box, um eine Mistgabel zu holen.
»Ja, klar wärst du mit ihm fertig geworden. Du wirst doch mit allem fertig. Aber wenn man nicht wirklich gerettet werden muss, ist es noch viel aufregender, wenn man dann doch gerettet wird, findest du nicht?«
»Ach, was
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