Ruheloses Herz
bisschen blass.«
»Findest du?« Kein Wunder, dachte sie, aber sie lächelte, während sie es genoss, ein Geheimnis vor ihm zu haben. »Obwohl ich mich gar nicht so fühle. Dafür siehst du …« Auf Entdeckungsreise gehend, beugte sie sich nach unten. »… absolut wundervoll aus. Verwildert und windzerzaust und sexy.«
Fragend zog er die Brauen hoch, und als sie ihm mit der Hand über die Wange fuhr, trat er leicht verunsichert einen Schritt zurück. Hier liefen mindestens sechs Männer herum. Und jeder einzelne von ihnen hatte Augen im Kopf.
»Ich musste heute schon früh in den Stall und hatte keine Zeit mehr, mich zu rasieren«, erklärte er.
Sie beschloss, sein Zurückweichen nicht als Kränkung, sondern als Herausforderung aufzufassen. »Es gefällt mir. Du wirkst fast ein bisschen gefährlich. Falls du heute irgendwann Zeit hast, könntest du mir ein bisschen helfen.«
»Wobei?«
»Die Pferde müssen bewegt werden.«
»Schätze, das lässt sich einrichten.«
»Prima. Gegen fünf?« Sie beugte sich wieder zu ihm hinunter, und diesmal packte sie ihn vorn am Hemd und zog ihn näher zu sich heran. »Und noch was, Brian. Rasier dich nicht.«
Die Frau brachte ihn völlig aus dem Konzept, und ihm war es egal. Indem sie ihm am helllichten Tag diese leidenschaftlichen Blicke zuwarf und ihn dann auch noch zärtlich berührte, sodass er den ganzen Tag über nervös war.
Noch schlimmer aber war, dass ihr Vater sein Arbeitgeber war, der ihn bestimmt nicht dafür bezahlte, dass er sich von seinen Hormonen unterjochen ließ.
Was für eine vertrackte Situation, überlegte Brian. An der er nicht unschuldig war. Aber woher hätte er wissen sollen, wie sich die Sache entwickelte? Dass er sich in sie verliebt hatte, war ein harter Schlag gewesen, doch er konnte einiges einstecken. Man holt sich einige blaue Flecken und macht weiter, dachte er. Das war normal.
Dagegen, dass man sich von einer Frau angezogen fühlte, war nichts einzuwenden, ein kleiner Flirt war harmlos. Und das Risiko, das in diesem Fall damit verbunden war, hatte er in Wahrheit sogar irgendwie genossen. Zumindest bis zu einem gewissen Grad.
Aber über diesen Grad war er längst hinaus. Inzwischen nahm sie fast sein gesamtes Denken und Fühlen in Anspruch, und gleichzeitig hatte er ihre Familie irgendwie lieb gewonnen. Travis war nicht nur ein guter und fairer Boss, sondern fast schon so etwas wie ein Freund geworden.
Während er, Brian, Mittel und Wege zu finden versuchte, um so oft wie nur möglich mit der Tochter seines Freundes zu schlafen.
Noch schlimmer aber ist, dass ich mich immer wieder beim Träumen ertappe, überlegte er, während er auf ihren Stall zuging. Das passierte ihm auch bei der Arbeit. So hatte er sich zum Beispiel ausgemalt, was wäre, wenn Keeley und er gesellschaftlich auf einer Stufe stünden. Und dann hatte er sich überlegt, dass er sich ein Leben nur mit ihr vorstellen konnte … falls er überhaupt jemals sesshaft werden würde.
Obwohl er diese Absicht natürlich gar nicht hatte. Schon allein deshalb, weil es nicht funktionieren würde. Sie gehörte ins Clubhaus und er in den Reitstall, so einfach war das.
Keeley kokettierte im Moment nur ein bisschen. Und weil er das gut verstand, konnte er es ihr auch nicht vorwerfen. Sie war privilegiert und behütet aufgewachsen und versuchte jetzt, ihre Grenzen auszuloten. Das hatte er als Junge auch gemacht, indem er so oft wie möglich die Schule geschwänzt hatte und auf die Rennbahn ausgebüxt war. Und nichts hatte ihn aufhalten können, weder die Auseinandersetzungen noch die Drohungen oder die Strafen.
Und dann war er so bald wie möglich von zu Hause fortgegangen und von Reitstall zu Reitstall, von Rennbahn zu Rennbahn gezogen. Er war frei und ungebunden gewesen. Und hatte nie zurückgeschaut. Seine Brüder und Schwestern hatten geheiratet, sich Häuser gebaut und Kinder bekommen und arbeiteten in festen Jobs. Sie hatten Besitz angehäuft, während ihm nur das gehörte, was er in eine Reisetasche packen oder wegwerfen konnte, wenn er sich wieder auf den Weg machte.
Um Dinge, die man besaß, musste man sich kümmern. Und ehe man es sich versah, drückte einen die Last der Verantwortung so nieder, dass man sich nicht mehr rühren konnte.
Er ließ den Blick über seine Unterkunft schweifen, bewunderte das schöne Steinhaus, das sich vor dem Abendhimmel abzeichnete. Vor der Garage waren Blumenbeete angelegt, in denen rostfarbene, blutrote und goldgelbe Blumen blühten, und
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