Ruhig Blut!
anderen Menschen betreffen, wenn du das meinst.«
»Ach, tatsächlich? Und wenn jemand nicht an Om glauben möchte und trotzdem ein anständiges Leben führt?«
»Nach dem Propheten Brutha erfordert ein anständiges Leben den Glauben an Om.«
»Oh, das ist schlau!« kommentierte Oma. »Auf diese Weise kann für Om überhaupt nichts schiefgehen. Der Bursche, dem das eingefallen ist, muß ziemlich intelligent gewesen sein. Bravo. Welche schlauen Dinge hat er sonst noch gesagt?«
»Der Prophet Brutha sagte keine Dinge, um schlau zu wirken«, erwiderte Himmelwärts mit Nachdruck. »Aber wenn du schon danach fragst: In seinem Brief an die Simoniten weist er darauf hin, daß wir durch andere Menschen zu richtigen Menschen werden.«
»Gut. Zumindest in diesem Punkt hat er recht.«
»Und er meinte, wir sollten Licht zu dunklen Orten bringen.« Oma schwieg.
»Vielleicht habe ich das schon einmal erwähnt«, meinte Himmelwärts.
»Und in der Schmiede, als du vor dem Amboß knietest… da hast du etwas Ähnliches gesagt…«
Oma blieb so plötzlich stehen, daß Himmelwärts fast gestolpert und gefallen wäre.
»Ich habe was?«
»Du hast gemurmelt und…«
»Ich habe im… Schlaf gesprochen?«
»Ja, und du hast eine Dunkelheit erwähnt, die dort ist, wo Licht sein
sollte. Daran erinnere ich mich, denn im Buch Om… «
»Du hast gelauscht?«
»Nein, ich habe nicht gelauscht, sondern es zufällig gehört. Es klang so, als hättest du Streit mit jemand…«
»Erinnerst du dich an alle Worte, die ich gesprochen habe?« »Ich denke schon.«
Oma wankte einige Schritte und verharrte in einer Pfütze aus schwarzem Wasser, das an ihren Stiefeln emporstieg.
»Kannst du sie wieder vergessen?« fragte sie.
»Wie bitte?«
»Du wärst doch nicht so unfreundlich, anderen Leuten vom Gefasel einer alten Frau zu erzählen, die nicht richtig bei sich war, oder?« fragte Oma langsam.
Himmelwärts überlegte kurz. »Welches Gefasel meinst du, Frau Wetterwachs?«
Erleichterung ließ Omas Schultern ein wenig nach unten sinken. »Ah. Gut, daß du mich danach fragst, denn immerhin gab es gar kein Gefasel.«
Blasen stiegen in dem schwarzen Wasser um Oma Wetterwachs auf, als sie sich gegenseitig musterten. Eine spezielle Art von Waffenstillstand war gerade vereinbart worden.
»Nun, junger Mann, wenn du die Liebenswürdigkeit hättest, mich hier herauszuziehen…«
Der Vorgang nahm einige Zeit in Anspruch und erforderte den Einsatz eines Astes von einem nahen Baum. Zwar gab sich Himmelwärts alle Mühe, aber Omas erster Fuß glitt aus dem Stiefel. Und wenn sich ein Stiefel im Schlamm verabschiedet hat, so leistet ihm der andere aus brüderlicher Solidarität Gesellschaft.
Als Oma Wetterwachs wieder auf einigermaßen trockenem und relativ stabilem Boden stand, trug sie zwar keine Stiefel mehr, dafür aber die dicksten Socken, die Himmelwärts jemals gesehen hatte. Sie schienen selbst wuchtigen Hammerschlägen standhalten zu können.
»Das waren gute Stiefel«, sagte Oma und sah in den blubbernden schwarzen Schlamm. »Na schön, setzen wir den Weg fort.«
Sie schwankte ein wenig, als sie weitergingen, aber zu Himmelwärts’ großer Bewunderung gelang es ihr, sich gerade zu halten. Diese bemerkenswerte Frau veranlaßte ihn, sich etwa jede halbe Stunde eine neue Meinung von ihr zu bilden. Seine jüngste Meinung von ihr lautete: Oma Wetterwachs brauchte jemanden, den sie übertreffen konnte. Und wenn es niemanden zum Übertreffen gab, so versuchte sie, sich selbst zu übertreffen.
»Schade um dein kleines Buch mit den heiligen Worten«, sagte Oma etwas weiter unten auf dem Weg.
Es blieb eine Zeitlang still, bevor Himmelwärts antwortete.
»Ich kann mir leicht ein neues besorgen«, sagte er ruhig.
»Es ist bestimmt schwer für dich, ohne das Buch mit den Worten.« »Es war nur Papier.«
»Ich werde den König darum bitten, dir ein neues Buch mit Worten zu
geben.«
»Du brauchst ihn deshalb nicht zu belästigen.«
»Eine schreckliche Sache, daß du all die Worte verbrennen mußtest.« »Die wichtigsten verbrennen nicht.«
»Zwar trägst du einen komischen Hut, aber du bist gar nicht so
dumm«, sagte Oma.
»Ich bin in der Lage, einen Notfall als solchen zu erkennen, Frau Wetterwachs.«
»Ausgezeichnet.«
Schweigend gingen sie weiter. Hagelkörner prallten von Omas spitzem Hut und Himmelwärts’ breiter Krempe ab.
»Du brauchst gar nicht zu versuchen, mich zum Glauben an Om zu bekehren«, sagte Oma nach einer Weile.
»Om möge es mir
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