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Ruhig Blut!

Ruhig Blut!

Titel: Ruhig Blut! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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verbieten, Frau Wetterwachs. Ich habe dir nicht einmal eine Broschüre gegeben.«
    »Das stimmt. Aber du möchtest, daß ich denke: ›Oh, was für ein netter junger Mann, sein Gott muß wirklich etwas Besonderes sein, wenn nette junge Männer wie er alten Damen wie mir helfen.‹ Habe ich recht?«
    »Nein.«
    »Und wenn schon: Es klappt nicht. An Menschen kann man glauben, manchmal, aber nicht an Götter. Und ich will dir noch etwas sagen, Herr Himmelwärts…«
Er seufzte. »Ja?«
    Oma wandte sich ihm zu und wirkte plötzlich sehr lebendig. »Eigentlich sollte es dir nur recht sein, daß ich nicht glaube«, sagte sie und pochte ihm mit einem spitzen Zeigefinger auf die Brust. »Dieser Om… Hat man ihn jemals gesehen?«
    »Dreitausend Personen sollen beobachtet haben, wie er sich beim Großen Tempel manifestierte, als er seine Vereinbarung mit dem Propheten Brutha traf und ihn vor dem Foltertod auf der eisernen Schildkröte rettete…«
    »Aber heute streiten diese Leute bestimmt darüber, was sie eigentlich gesehen haben.«
»Nun, ja, es gibt natürlich unterschiedliche Meinungen…«
    »Verstehe. Tja, so sind die Leute eben. Wenn ich deinen Gott gesehen hätte, in Fleisch und Blut, so käme eine Art Fieber über mich. Wenn ich davon überzeugt wäre, daß es wirklich einen Gott gibt, dem das Schicksal der Menschen nicht völlig schnurz ist, der sie wie ein Vater beobachtet und sich wie eine Mutter ihrer annimmt… In dem Fall käme mir bestimmt kein Unsinn in der Art von ›Bei jeder Frage gibt es unterschiedliche Aspekte‹ und ›Wir müssen den Glauben anderer Menschen respektieren‹ in den Sinn. Ich würde nicht einfach nur deshalb zu anderen Leuten nett sein, weil ich hoffte, dafür irgendwann einmal göttlichen Lohn zu empfangen. Solch ein Verhalten wäre mir unmöglich, wenn die Flamme des Glaubens wie ein erbarmungsloses Schwert in mir brennen würde. Ich spreche hier von ›brennen‹, Herr Himmelwärts, und genau darauf läuft es hinaus. Du sagst, daß eure Kirche inzwischen niemanden mehr auf dem Scheiterhaufen verbrennt oder opfert, aber wahrer Glaube würde genau das bedeuten, verstehst du? Das eigene Leben der Flamme opfern, Tag für Tag, die Wahrheit verkünden, dafür arbeiten, ihre Essenz atmen. Das ist Religion. Alles andere beschränkt sich darauf, einfach nur ein wenig nett zu sein und ein gutes Verhältnis zu den Nachbarn zu pflegen.«
    Oma entspannte sich ein wenig und fuhr mit ruhigerer Stimme fort: »So würde ich denken und fühlen, als wahre Gläubige. Und ich fürchte, so etwas kommt derzeit nicht in Frage, denn wenn man heute Böses sieht, muß man offenbar mit den Händen ringen und sagen: ›Ach du meine Güte, wir müssen darüber diskutieren.‹ Nein, davon halte ich nichts, denn es hieße die Dinge ruhen zu lassen. Laufe dem Glauben nicht nach, denn du wirst ihn nie einholen«, fügte sie fast apart hinzu. »Aber vielleicht kannst du ein Leben auf seiner Grundlage führen.«
    Ihre Zähne klapperten, als eiskalter Wind das nasse Kleid um ihre Knie flattern ließ.
»Hast du noch ein Buch mit heiligen Worten dabei?« fragte Oma.
    »Nein«, sagte der noch immer schockierte Himmelwärts. Er dachte: Mein Gott, wenn sie jemals eine Religion für sich findet – was käme dann aus diesen Bergen, um über die Ebene zu ziehen? Mein Gott… Ich habe gerade »mein Gott« gedacht…
    »Auch kein Gesangsbuch?« fragte Oma.
»Nein.«
    »Steckt vielleicht ein dünnes Buch mit Gebeten für alle Gelegenheiten in deiner Hosentasche?«
»Nein, Oma Wetterwachs.«
    »Mist.« Oma sank langsam nach hinten und faltete sich wie ein leeres Gewand zusammen.
    Himmelwärts sprang zu ihr und fing sie auf. Eine dünne weiße Hand schloß sich so fest um seinen Unterarm, daß er unwillkürlich aufschrie. Dann entspannte sich Oma und erschlaffte in seinem Griff.
    Etwas veranlaßte Himmelwärts, den Kopf zu heben.
Nicht weit entfernt saß eine dunkle Gestalt auf einem weißen Pferd. Sie trug einen schwarzen Kapuzenmantel, und vages blaues Glühen umgab sie.
»Verschwinde!« rief der Priester. »Reite fort, oder ich… oder ich…«
    Er ließ Oma Wetterwachs auf einige Grasbüschel sinken, nahm ein wenig Schlamm und warf ihn durch die Nacht. Dann lief er los und schlug mit den Fäusten auf etwas ein, das plötzlich nur noch aus Schatten und wogenden Nebelschwaden bestand.
    Rasch kehrte er zur alten Hexe zurück, legte sie sich behutsam über die Schulter und eilte den Hang hinab.
    In den grauen Schwaden hinter ihm

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