Ruhig Blut!
stieß Lacrimosa hervor und weigerte sich hartnäckig, ihrem Vater dankbar zu sein. »Sie hat ihr Selbst irgendwo versteckt, und jetzt greift sie uns an. In dem Baby kann sie nicht sein. Vielleicht hatte sie sich in deiner Dicken verborgen, Vlad. Da gab’s jede Menge Platz. Hörst du mir zu, Bruder?«
»Was?« fragte Vlad geistesabwesend, als sie eine Kurve der Straße hinter sich gebracht hatten und vor sich das Schloß sahen.
»Ich habe beobachtet, wie du nachgegeben und sie gebissen hast. Wie romantisch. Aber die übrigen Leute haben sie weggebracht. Bestimmt müssen sie sich einen besonders langen Pflock besorgen, um irgendein Organ in ihr zu durchbohren.«
»Zweifellos hat sie ihr Selbst in jemandem versteckt, der sich in der Nähe aufhielt«, sagte der Graf. »Ist doch ganz klar. Eigentlich kommen nur die Leute in Frage, die im Großen Saal waren…«
»Vermutlich eine der anderen Hexen«, meinte die Gräfin.
»Ich frage mich…«
»Der dumme Priester«, sagte Lacrimosa.
»Er hat wahrscheinlich einen gewissen Reiz auf sie ausgeübt«, erwiderte
der Graf. »Aber ich glaube nicht, daß sie sich letztendlich für ihn entschieden hat.«
»Doch nicht… Igor?« spekulierte Lacrimosa.
»Das halte ich für völlig ausgeschlossen«, sagte der Graf.
»Ich tippe noch immer auf die Dicke Agnes«, meinte seine Tochter. »So dick war sie gar nicht«, entgegnete Vlad verdrießlich.
»Früher oder später hättest du sie satt gehabt, und dann wäre sie uns
nur im Weg gewesen, so wie die anderen«, sagte Lacrimosa. »Das traditionelle Andenken ist eine Haarlocke und nicht der ganze Kopf…« »Sie ist anders.«
»Nur deshalb, weil du ihre Gedanken nicht lesen kannst? Wieso soll das interessant sein?«
»Ich habe wenigstens jemanden gebissen«, sagte Vlad. »Was war denn mit dir los?«
»Ich würde es bestimmt spüren, wenn sich die alte Wetterwachs in mir versteckt!« knurrte Lacrimosa.
»Ich frage mich, ob das wirklich der Fall wäre«, ließ sich der Graf vernehmen. »Wenn sie eine schwache Stelle findet…«
»Sie ist nur eine Hexe, Vater. Meine Güte, wir benehmen uns so, als stünde ihr irgendeine schreckliche Macht zur Verfügung…« »Vielleicht war es wirklich Vlads Agnes«, sagte der Graf und sah seinen Sohn etwas länger an als unbedingt nötig.
»Wir haben das Schloß fast erreicht«, meinte die Gräfin in dem Versuch, den familiären Frieden wiederherzustellen. »Gleich fühlen wir uns alle besser.«
»Unsere besten Särge sind nach Lancre gebracht«, sagte Lacrimosa mürrisch. » Jemand war sich ja so sicher.«
»Sprich nicht in einem solchen Ton mit mir, junge Dame!« sagte der Graf streng.
»Ich bin zweihundert Jahre alt«, erwiderte Lacrimosa. »Entschuldige bitte, aber ich glaube, ich kann in dem Ton sprechen, der mir gefällt.«
»So redet man nicht mit seinem Vater!«
»Ich bitte dich, Mutter. Benimm dich doch endlich einmal so, als hättest du wenigstens zwei eigene Gehirnzellen!«
»Es ist nicht die Schuld deines Vaters, daß alles schiefgegangen ist!« »Es ist nicht alles schiefgegangen, meine Liebe! Wir haben nur einen vorübergehenden Rückschlag erlitten!«
»Von ›vorübergehend‹ kann keine Rede mehr sein, wenn das EskrauFleisch seinen Freunden Bericht erstattet! Komm, Vlad, hör endlich auf, Trübsal zu blasen. Ich brauche deine Unterstützung…«
»Selbst wenn andere Leute erfahren, was heute nacht in Eskrau passiert ist…«, sagte der Graf. »Was können sie schon machen? Sicher protestieren sie ein wenig, aber die Überlebenden kommen bestimmt zur Vernunft. Und in der Zwischenzeit… Die Hexen warten auf uns. Mit dem Baby.«
»Vermutlich sollen wir freundlich zu ihnen sein.«
»Oh, ich glaube, so weit brauchen wir nicht zu gehen«, gab der Graf zurück. »Vielleicht könnten wir sie am Leben lassen…«
Etwas fiel neben ihm auf die Brücke. Er bückte sich und griff danach, ließ den Gegenstand dann aber mit einem Aufschrei fallen.
»Aber… Knoblauch sollte nicht brennen…«, brachte er hervor.
»Daf ift Waffer vom Heiligen Schildkrötenteich in Fkwinz«, erklang eine Stimme weiter oben. »Vom Bischof höchftperfönlich im Jahr der Forelle gefegnet.« Es gluckerte, und jemand schluckte. »Einf muf man dem Bischof laffen. Er hat damalf einen wirklich guten Jahrgang gewählt«, fuhr Igor fort. »Aber verlafft euch dabei nur nicht auf mein Wort. Duckt euch, ihr Miftkerle!«
Die Vampire versuchten, in Deckung zu gehen, als eine Flasche von den Zinnen herabfiel.
Sie zerbrach
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