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Ruhig Blut!

Ruhig Blut!

Titel: Ruhig Blut! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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dann richtete sich ein eisblauer
    Blick auf ihn.
    »Sind wir da?«
    »Ja.«
    »Was ist mit deinem heiligen Hut passiert?«
    »Ich habe ihn verloren«, erwiderte Himmelwärts abrupt.
    Oma sah genauer hin.
    »Auch dein magisches Amulett ist weg«, sagte sie. »Ich meine das mit
    der kleinen Schildkröte und dem Mann darauf.«
    »Das war kein magisches Amulett, Frau Wetterwachs! Ich bitte dich!
    Magische Amulette sind Symbole eines primitiven, mechanistischen A-
    berglaubens, wohingegen Oms Schildkröte ein Zeichen für… für…
    Nun, sie hat nichts mit Aberglauben zu tun, verstanden?«
    »Oh, ja, danke für die Erklärung«, sagte Oma. »Hilf mir auf.«
    Himmelwärts sah sich mit Problemen konfrontiert, die sein Tempera-
    ment betrafen. Er hatte die verdammte Alte… die alte Dame viele Mei-
    len weit getragen und war vol kommen durchgefroren. Und jetzt benahm
    sich die Hexe, als hätte sie ihm irgendeinen Gefal en erwiesen.
    »Wie heißt das magische Wort?« knurrte er.
    »Oh, ich glaube, ein heiliger Mann wie du sollte sich nicht mit magischen Worten befassen«, entgegnete Oma. »Aber die heiligen Worte lauten: Wenn du nicht gehorchst, bekommst du eine Abreibung. Sie müßten
    eigentlich die gewünschte Wirkung erzielen.«
    Himmelwärts half ihr auf die Beine, während mühsam unterdrückter
    Zorn in ihm brodelte. Er stützte Oma Wetterwachs, als sie schwankte.
    Vom Schloß her drang ein Schrei heran, der ganz plötzlich abbrach.
    »Keine Frau«, stel te Oma fest. »Vermutlich haben die Mädels begon-
    nen. Ich schlage vor, wir helfen ihnen ein wenig.«
    Ihr Arm zitterte, als sie ihn hob. Der Sanfte Falke flog herbei und lan-
    dete auf ihrem Handgelenk. »Hilf mir jetzt zum Tor.«
    »Oh, keine Ursache, bin gern zu Diensten«, murmelte Himmelwärts.
    Er sah zum Vogel, dessen Haube sofort in Bewegung geriet und sich
    ihm zuwandte.
    »Das ist der… andere Phönix, nicht wahr?« fragte er.
    »Ja«, sagte Oma und beobachtete das Tor. »Es ist nicht der Phönix, sondern ein Phönix. Ein Exemplar von einer Spezies hat keinen Sinn.«
    »Aber der Vogel sieht wie ein kleiner Falke aus.«
    »Er wurde unter Falken geboren, deshalb sieht er wie einer aus. Wenn
    er in einem Hühnerstal zur Welt gekommen wäre, sähen wir jetzt ein
    Küken. Ist doch ganz klar. Und er wird so lange ein Falke bleiben, bis er
    zum Phönix werden muß. Es sind sehr scheue Vögel. Man könnte sagen,
    daß ein Phönix etwas ist, wozu er werden kann…«
    »Zu viele Eierschalen…«
    »Ja, Herr Himmelwärts. Und wann legt der Phönix zwei Eier? Wenn es
    notwendig ist. Festgreifaah hatte recht. Ein Phönix hat die Natur eines
    Vogels. Er ist zuerst Vogel und dann Mythos.«
    Das Tor hing schief in den Angeln. Die eisernen Verstärkungen waren
    verbogen, und das Holz qualmte an einigen Stel en. Ganz offensichtlich
    hatte jemand versucht, das Tor wieder zu schließen, allerdings mit wenig
    Erfolg. Über dem Bogen teilte eine steinerne Fledermaus dem Besucher
    mit, was für eine Art von Schloß dies war.
    Die Haube des Sanften Falken auf Omas Handgelenk dampfte und
    knisterte. Himmelwärts beobachtete, wie erneut Flammen aus dem Leder
    züngelten.
    »Er weiß, was geschehen ist«, sagte Oma. »Er schlüpfte mit dem Wissen.
    Phönixe teilen ihr Bewußtsein. Und sie verabscheuen das Böse.«
    Einmal mehr wandte sich der kleine Kopf dem Priester zu und bedach-
    te ihn mit einem weißen, blendenden Blick. Himmelwärts wich instinktiv
    zurück und versuchte, seine Augen abzuschirmen.
    »Benutze den Türklopfer«, sagte Oma und nickte in Richtung des gro-
    ßen eisernen Rings, der lose am gesplitterten Tor hing.
    »Was? Ich soll anklopfen ? An die Tür eines Vampirschlosses ?«
    »Wir wol en uns doch nicht hineinschleichen, oder? Außerdem seid ihr
    Omnianer gut im Anklopfen.«
    »Nun, ja «, gestand Himmelwärts. »Aber dabei geht es nur darum, ge-
    meinsam zu beten und Broschüren zu verteilen…« Er schlug den Tür-
    klopfer einige Male, und das dumpfe Pochen schien durchs ganze Tal zu
    hal en. »Hier besteht die Gefahr, daß uns jemand die Kehle zerfetzt!«
    »Stell dir das alles als eine besonders schwierige Straße vor«, sagte O-
    ma. »Versuch’s noch einmal… Vielleicht verstecken sie sich hinterm
    Sofa.«
    »Ha!«
    »Bist du ein guter Mensch, Herr Himmelwärts?« fragte Oma im Plau-
    derton, als das Echo verklang. »Selbst ohne dein heiliges Buch, das heili-
    ge Amulett und den heiligen Hut?«
    »Ich… versuche es…«, erwiderte er

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