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Ruhige Straße in guter Wohnlage: Die Geschichte meiner Nachbarn (German Edition)

Ruhige Straße in guter Wohnlage: Die Geschichte meiner Nachbarn (German Edition)

Titel: Ruhige Straße in guter Wohnlage: Die Geschichte meiner Nachbarn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pascale Hugues
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Kartenspiel der Lilli Ernsthaft, hatte sich so sehr kompromittiert … Er hatte, um sein am Rand des Bankrotts stehendes Imperium zu konsolidieren, von der Arisierung jüdischer Firmen profitiert und 1937 die OHG M. K empinski zu einem Preis weit unter ihrem Wert übernommen. Hatte er nach 1933  Heinrich Ernsthaft und seine Gattin samstagabends weiterhin zu Kaviar und Crêpes Suzette eingeladen? Oder hatte er es vorgezogen, die Gehsteigseite zu wechseln, wenn er seinem ehemaligen Geschäftspartner zufällig auf der Straße begegnete?
    Die großen Hotels und das Weinhaus Rheingold sind unter den Bomben eingestürzt. Am 8 . Februar 1949 wurden die Unternehmen Aschinger, die sich im sowjetischen Sektor befanden, entschädigungslos enteignet und zum VEB -Nahrungsmittelwerk «Aktivist» umgetauft, ein Name ohne Genuss und Sinnlichkeit, der das Ende des Vergnügungstempels Aschinger einläutete. Im August 1949 nehmen sich Fritz Aschinger und seine Schwester Elisabeth in Berlin das Leben.
     
    Im Mai 1949 reichen Lilli und Harry Ernsthaft bei den Wiedergutmachungsämtern von Berlin ihren
Rückerstattungsantrag gegen das Deutsche Reich
ein. Es beginnt eine endlose Prozedur, die Lilli Ernsthaft bis in die sechziger Jahre verfolgt. Sie hatte die ausufernde Korrespondenz aufbewahrt. Beim Tod von
Tante Lilli
stopfte ihre Nichte Elga die Leitz-Ordner in eine Reisetasche und verstaute sie im Keller zwischen den Weidenstühlen und den Bücherkisten. Als ich sie eines Nachmittags besuchte, übergab sie mir die völlig verstaubte Tasche. Beim Lesen dieser Briefbündel habe ich den jahrelangen Leidensweg von Lilli und Harry Ernsthaft verstanden, als sie versuchten, ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen, und in die Nummer  3 zurückkehrten.
    Als Erstes stellt Lilli Ernsthaft Stück für Stück, bis zum kleinsten Kaffeelöffel, das Inventar ihrer verlorenen Güter zusammen: «Sehr elegantes Silberhorn-Schlafzimmer, bestehend aus breitem Marmorwaschtisch, zwei Nachttischen, Frisiertoilette, zwei großen geschliffenen Spiegeln und einem großen dreiteiligen Spiegelschrank, der mit Herrenanzügen, Mänteln und Wäsche gefüllt war. Ein Damen-Ankleidezimmer mit einem 4  Meter breiten Schrank, voller Damenkleider, Mäntel, Hüte, Taschen, außerordentlich reichhaltige elegante Wäscheausstattung.» Sie beschreibt die Engel aus Meißner Porzellan in der Wohnzimmervitrine: «Einer, der Schokolade quirlt, und einer, der Flöte spielt.» Sie stellte eine Liste von Phantomobjekten auf, die in der leeren Wohnung herumspukten: das kostbare Hutschenreuther-Kaffee- und -Mokkaservice mit breitem Goldrand für 18  Personen, die 500  Bücher der Bibliothek, die wertvolle Noten- und Plattensammlung. Sie erwähnt sogar die zwei echten Rosshaarmatratzen ihres Schlafzimmers, sämtliche Stores und Gardinen, die Lebensmittel- und umfangreichen Seifenvorräte in der Speisekammer. Das arabische Zimmer beschäftigt die Behörden mehrere Jahre lang. Sie ist einfach verschwunden, diese kleine Verrücktheit aus Tausendundeiner Nacht mit ihrem «Baldachin aus Kelims, tuffartig gerafft und von zwei überkreuzten Waffen gehalten, übereinanderliegenden echten Perser-Teppichen, selbstgestrickten smyrnaartigen Kissen, kleinen Tischen aus Ebenholz mit eingelegten Silberstückchen, diversen Eseltaschen, einer echten Wasserpfeife, einem echten Samowar, zwei achteckigen Hockern aus Elfenbein mit Perlmutteinlagen und acht oder zehn wertvollen silbernen und tulasilbernen Zigarettenetuis mit Widmungen berühmter Sänger und Schauspieler wie Caruso, Giampietro, Massary … Geschenke an ihren Freund Heinrich Ernsthaft.»
    Danach sammelt sie eidesstattliche Erklärungen. Klara Knospe, ledig, Rentnerin, 73  Jahre alt, 18  Jahre lang Wirtschafterin bei der Familie Ernsthaft, die ihre Beschäftigung 1933 beenden musste, versichert: «Es handelte sich um einen sehr gepflegten Haushalt.» Magdalene Lied, geschieden, 90  Jahre, ehemalige Klavierlehrerin von Harry, beschreibt: «Eine sehr gut eingerichtete Wohnung, die mit vielen Teppichen ausgelegt war. Es handelte sich bei der Möblierung zum Teil sogar um Stilmöbel.» Der deutsche Staat streicht mit dem Finger über die Möbel.
    Harry fühlt sich durch diese administrativen Schikanen gedemütigt, diese Forderungen nach «näherer Begründung der Ansprüche», «Nachweis der ungerechtfertigten Entziehungen», «Absicherungsquittungen», «Bankauskünften». Er ist angewidert, wenn man von seiner Mutter verlangt: «Sie

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