Ruht das Licht
wandte sich ab und warf meiner Mutter einen bedeutungsvollen Blick zu, was sie aber gar nicht mitbekam, weil sie viel zu sehr beschäftigt war, ihre Augen mit den Tränen zu füllen, die gleich fließen sollten.
Ich war der Meinung, dass mein Auftritt in dieser Episode definitiv beendet war, und ließ die beiden in der Küche stehen. Ich hörte noch, wie mein Dad sagte: »Ich bring diese Biester um.« Meine Mutter antwortete mit tränenerstickter Stimme: »Mach, was du willst, Tom.«
Und Ende. Ich sollte wohl wirklich aufhören, die Wölfe zu füttern.
Je näher sie kamen, desto gefährlicher wurde es für uns alle.
KAPITEL 10
GRACE
Als Sam nach Hause kam, widmeten Rachel und ich uns bereits seit einer halben Stunde dem Unterfangen, Parmesanhühnchen herzustellen. Rachel brachte nicht die notwendige Konzentration auf, um das Hühnchen zu panieren, also ließ ich sie die Tomatensoße umrühren und wälzte selbst eine scheinbar endlose Anzahl Hühnchenstreifen zuerst in Ei und dann in Semmelbröseln. Ich tat, als sei ich genervt, in Wahrheit aber fand ich die monotone Tätigkeit entspannend. Außerdem fühlten sich die Zutaten angenehm in meinen Händen an: Erst glitschte die zähflüssige, leuchtend gelbe Eiermasse über das Hühnerfleisch, dann kamen mit einem sanften Wusch die Semmelbrösel, die sich in dem Versuch, dem Hühnerfleisch zu entwischen, zu kleinen Klümpchen zusammenpappten.
Wenn ich nur nicht die ganze Zeit diese Kopfschmerzen gehabt hätte. Zum Glück lenkten mich Rachel und das Kochen ganz gut davon ab, genauso wie von der Tatsache, dass es draußen winterlich dunkel geworden war; die Kälte schien sich regelrecht gegen das Fenster über der Spüle zu drängen und Sam war immer noch nicht da. In meinem Kopf sagte ich mir immer wieder dasselbe Mantra vor: Er verwandelt sich nicht. Er ist geheilt. Es ist vorbei.
Rachel stieß mich mit der Hüfte an und erst da fiel mir auf, dass sie die Musik ohrenbetäubend laut aufgedreht hatte. Sie stieß mich noch mal an, im Takt des Songs, und wirbelte dann in die Mitte der Küche. Sie schwenkte die Arme wild über dem Kopf und führte eine Art grotesken Snoopy-Tanz auf. Ihre Klamotten, ein schwarzes Kleid über gestreiften Leggings, und ihre zwei Zöpfe verstärkten den Effekt ihrer skurrilen Darbietung noch.
»Rachel«, sagte ich lachend und sie sah mich an, ohne mit dem Tanzen aufzuhören. »Genau das ist der Grund, warum du Single bist.«
»Kein Mann kommt mit so was klar«, japste Rachel vergnügt und deutete mit dem Kinn an sich hinunter. Sie vollführte eine Drehung und stand plötzlich vor Sam, der in der Tür zur Diele aufgetaucht war. Die stampfenden Bässe mussten das Geräusch der Haustür übertönt haben. Als ich ihn sah, rutschte mein Magen in einer seltsamen Kombination aus Erleichterung, Nervosität und Sorge ein paar Etagen tiefer – ein Gefühl, das ich wohl nie loswerden würde.
Rachel stand noch immer mit dem Gesicht zu Sam und gab eine seltsame Tanzeinlage mit ausgestreckten Zeigefingern zum Besten, die stark danach aussah, als wäre sie in den Fünfzigern erfunden worden, als die Leute sich beim Tanzen nicht berühren durften. »Hallo, Junge!«, schrie sie über die Musik hinweg. »Wir kochen hier italienisch!«
Ein Stück Hühnchen in der Hand, drehte ich mich um und räusperte mich lautstark. Rachel korrigierte: »Meine Kollegin weist mich soeben darauf hin, dass dies nicht ganz der Wahrheit entspricht. Ich gucke Grace dabei zu, wie sie italienisch kocht!«
Sam lächelte mich an, sein immer etwas traurig wirkendes Lächeln einen Hauch angespannter als sonst, und sagte: »…«
Umständlich drehte ich mit der Hand, die nicht komplett voller Semmelbrösel war, das Radio leiser. »Was?«
»Ich sagte: ›Was soll’s denn werden?‹«, wiederholte Sam. »Und dann: ›Hallo, Rachel.‹ Und ›Würdest du mich vielleicht in die Küche lassen, Rachel?‹«
Rachel machte mit großer Geste einen Schritt zur Seite und Sam lehnte sich neben mir an die Arbeitsplatte. Seine gelben Wolfsaugen waren schmal und er schien gar nicht zu merken, dass er immer noch seinen Mantel anhatte.
»Parmesanhühnchen«, sagte ich.
Er blinzelte. »Was?«
»Soll das hier werden. Wo warst du so lange?«
»Ich – war – im Laden«, erklärte Sam stockend. »Hab gelesen.« Mit einem flüchtigen Blick auf Rachel saugte er an seinen Lippen und sagte: »Kann grad nicht sprechen. Meine Lippen sind noch ganz eingefroren. Wann wird’s denn bloß endlich
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