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Ruht das Licht

Ruht das Licht

Titel: Ruht das Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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dunkel geschminkt, ein spöttisches Lächeln auf den Lippen. Um mich herum saß mein gewohntes Gefolge aus Mädchen, deren Augen genauso geschminkt waren wie meine und die sich bemühten, genauso erhaben auszusehen wie ich. Was natürlich noch lange nicht dasselbe war, wie erhaben zu sein.
    In einer so kleinen Stadt wie Mercy Falls beliebt zu sein, war geradezu lächerlich einfach. Man musste sich lediglich selbst für das absolute Nonplusultra halten und zack, schon war man’s auch. Nicht wie in San Diego, wo Beliebtsein ein regelrechter Vollzeitjob war. Die Wirkung dieser Versammlung – eine einstündige PR-Veranstaltung für die Marke Isabel Culpeper – würde mindestens eine Woche lang anhalten.
    Schließlich musste ich aber doch nach Hause. Entzückenderweise standen beide Autos meiner Eltern in der Auffahrt. Welch himmlische Freude aber auch. Ich blieb in meinem Geländewagen sitzen, kramte das Shakespeare-Stück hervor, das ich für die Schule lesen musste, und drehte die Musik so laut auf, dass der Bass den Rückspiegel vibrieren ließ. Nach ungefähr zehn Minuten erschien die Silhouette meiner Mutter in einem der Fenster und bedeutete mir wild gestikulierend, endlich reinzukommen.
    Und so nahm der Abend seinen gewohnten Lauf.
    In unserer riesigen Edelstahlküche begann eine neue Folge der Culpeper-Show.
    Mom: »Die Nachbarn sind sicher hocherfreut über deine Unterschichtsmusik. Wirklich reizend von dir, sie so laut aufzudrehen.«
    Dad: »Wo bist du überhaupt gewesen?«
    Mom: »Bei der Schülerratssitzung.«
    Dad: »Ich habe nicht dich gefragt, sondern unsere Tochter.«
    Mom: »Ach, Thomas, ist das wichtig, wer dir antwortet?«
    Dad: »Der muss ich ja bald ein Gewehr an den Kopf halten, damit sie mal mit mir spricht.«
    Ich: »Tu dir keinen Zwang an.«
    Jetzt starrten sie mich beide wütend an. Normalerweise brauchte ich gar nichts zur Culpeper-Show beizutragen. Die lief ganz von selbst und bestand sowieso nur aus Wiederholungen.
    »Ich hab dir ja gesagt, wir sollten sie nicht auf eine öffentliche Schule schicken«, hielt mein Vater meiner Mutter vor. Ich wusste genau, wie es weitergehen würde. Moms Text lautete: »Ich hab dir ja gesagt, wir sollten nicht nach Mercy Falls ziehen«, dann würde Dad anfangen, mit allem um sich zu schmeißen, was er in die Finger bekam, und schließlich würden sie sich beide in verschiedene Zimmer zurückziehen und sich ihren jeweils bevorzugten alkoholischen Getränken zuwenden.
    »Ich muss Hausaufgaben machen«, unterbrach ich sie. »Ich geh nach oben. Bis nächste Woche dann.«
    Ich hatte mich schon umgedreht, als mein Dad mich zurückrief. »Isabel, warte.«
    Ich wartete.
    »Jerry hat mir erzählt, dass du dich in letzter Zeit öfter mit Lewis Brisbanes Tochter triffst. Stimmt das?«
    Jetzt drehte ich mich wieder um, ich wollte sein Gesicht sehen. Mit verschränkten Armen lehnte er an der spiegelblanken Küchentheke, Hemd und Krawatte immer noch perfekt und knitterfrei, eine Augenbraue hochgezogen. Auch ich hob eine Braue. »Und wenn?«
    »Nicht in diesem Ton«, entgegnete Dad. »Ich hab dir nur eine Frage gestellt.«
    »Na, wenn das so ist. Ja, ich treffe mich manchmal mit Grace.«
    Ich sah eine Ader an seinem Arm hervortreten, als er die Hände zu Fäusten ballte und sie wieder öffnete, noch mal und noch mal. »Ich hab gehört, sie interessiert sich sehr für die Wölfe.«
    Genervt hob ich die Hände, wie um zu sagen: Wovon redest du eigentlich?
    »Sie soll sie angeblich sogar füttern. Ich hab die Biester in letzter Zeit oft hier rumlaufen sehen«, fuhr er fort. »Sahen verdächtig gut genährt aus. Ich glaube, es wird Zeit, die Anzahl mal wieder ein bisschen zu dezimieren.«
    Einen Augenblick lang sahen wir einander einfach nur an. Ich, weil ich mich fragte, ob er wohl wusste, dass ich diejenige war, die die Wölfe gefüttert hatte, und er diese passiv-aggressive Masche jetzt nur abzog, damit ich es zugab, und er, weil er wollte, dass ich zuerst wegsah. Oder was weiß ich.
    »Genau, Dad«, sagte ich schließlich. »Zieh los und baller ein paar Tiere ab. Das bringt uns sicher Jack zurück. Tolle Idee. Soll ich Grace vielleicht bitten, die Wölfe ein bisschen näher ans Haus zu locken?«
    Meine Mutter stierte mich nur an, sie war zu einem Gemälde erstarrt: Porträt einer Frau mit Chardonnay. Mein Vater sah aus, als würde er mir am liebsten eine knallen.
    »Sind wir dann hier fertig?«, fragte ich.
    »Oh ja, verlass dich drauf«, entgegnete mein Vater kalt. Er

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