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Ruht das Licht

Ruht das Licht

Titel: Ruht das Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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gebannt war, und blickte mich vorwurfsvoll an.
    »Der Junge sollte mal besser gucken, wo er hinläuft«, tadelte sie.
    »Rachel sollte nicht einfach so aus dem Nichts in Türen auftauchen«, gab ich zurück.
    »Grace hat mir aber gesagt, ich soll hier langgehen!«, protestierte Rachel. Als ich sie nur verwirrt ansah, erklärte sie: »Bei meinen unzähligen Talenten hat der liebe Gott leider das Rückwärtseinparken vergessen, darum meinte Grace, hinter dem Laden könnte ich einfach auf den Stellplatz fahren und dass es keinen stören würde, wenn ich durch die Hintertür reinginge. Tja, aber da hatte sie ganz offensichtlich unrecht, wenn du hier schon mit Fässern voll siedendem Öl auf mich losgehst und –«
    »Rachel«, unterbrach ich sie. »Wann hast du mit Grace geredet?«
    »Was, zuletzt? So vor zwei Sekunden, würd ich sagen.« Rachel trat einen Schritt zurück und gestattete mir endlich, aus der Tür zu treten und sie hinter mir zuzumachen.
    Die Erleichterung durchfuhr mich so plötzlich, dass ich beinahe aufgelacht hätte. Auf einmal konnte ich die kalte, abgasgeschwängerte Luft einatmen, die abblätternde grüne Farbe der Mülltonnen sehen und fühlen, wie mir der eisige Wind einen vorwitzigen Finger unter den Kragen schob.
    Ich hatte fast nicht geglaubt, sie je wiederzusehen.
    Jetzt, als ich wusste, dass es Grace gut genug ging, um mit Rachel zu sprechen, klang das ziemlich melodramatisch und ich wusste auch nicht, wie ich überhaupt darauf gekommen war, aber das machte es nicht weniger wahr.
    »Es ist lausig kalt hier draußen«, sagte ich und deutete auf mein Auto. »Wollen wir vielleicht …?«
    »Aber bitte«, stimmte Rachel zu und wartete darauf, dass ich die Türen entriegelte, damit sie einsteigen konnte. Ich ließ den Motor an, drehte die Heizung auf und presste meine Hände gegen die Lüftungsschlitze, bis meine Angst vor der Kälte, die mir nichts mehr anhaben konnte, abebbte. Rachel gelang es augenblicklich, den ganzen Wagen mit einem süßen, hochgradig künstlichen Duft zu erfüllen, der wohl Erdbeere darstellen sollte. Sie musste ihre bestrumpfhosten Beine auf dem Sitz zusammenfalten, um genug Platz für ihren Rucksack zu machen, der aus allen Nähten zu bersten schien.
    »Okay. Jetzt erzähl«, forderte ich sie auf. »Was ist mit Grace? Geht’s ihr gut?«
    »Ja. Sie war gestern Nacht im Krankenhaus, aber jetzt ist sie wieder zu Hause. Die haben sie nicht mal über Nacht dabehalten. Sie hatte Fieber, also haben sie sie komplett mit Paracetamol zugedrogt und jetzt ist es erst mal weg. Sie sagt, ihr geht’s wieder ganz gut.« Rachel zuckte mit den Schultern. »Ich werte es mal als gutes Zeichen, dass ich ihr«, sie verpasste ihrem vollgestopften Rucksack einen Tritt, »die Hausaufgaben bringen soll. Außerdem soll ich dir das hier geben.« Sie streckte mir ein rosa Handy mit einem Zyklopensmiley-Aufkleber entgegen.
    »Ist das deins?«, fragte ich.
    »In der Tat. Sie sagt, bei deinem geht nur die Mailbox dran.«
    Jetzt lachte ich wirklich, erleichtert und tonlos. »Was ist denn mit ihrem?«
    »Ihr Dad hat’s ihr weggenommen. Ich glaub’s immer noch nicht, dass ihr zwei euch habt erwischen lassen. Was habt ihr euch bloß dabei gedacht? Ihr hättet tot umfallen können vor lauter Scham!«
    Ich warf ihr einen Blick zu, aus dem so viel Herzschmerz triefte wie irgend möglich. Jetzt, als ich sicher wusste, dass Grace lebendig und wohlauf war, war mir auch wieder mehr nach Späßen zumute.
    »Armer Junge«, tröstete mich Rachel und tätschelte meine Schulter. »Keine Sorge. Die werden schon nicht ewig sauer auf dich sein. Lass ihnen ein paar Tage Zeit, dann haben sie sowieso wieder vergessen, dass sie je eine Tochter hatten. Hier, nimm das Telefon. Sie darf jetzt wieder Anrufe empfangen.«
    Dankbar nahm ich es entgegen, tippte ihre Nummer ein – »Nummer zwei auf Kurzwahl«, sagte Rachel noch – und einen Moment später hörte ich sie. »Hey, Rach.«
    »Ich bin’s«, sagte ich.
GRACE
    Ich wusste nicht, wie ich das Gefühl nennen sollte, das mich durchflutete , als ich Sams Stimme hörte statt Rachels. Ich wusste nur, dass es stark genug war, um zwei meiner Atemzüge zusammenzukleben, sodass ich die Luft ein Mal lange und zittrig ausstieß. Doch ich walzte über das unidentifizierbare Gefühl hinweg. »Sam.«
    Ich hörte, wie er seufzte, was in mir den sehnlichen Wunsch erweckte, sein Gesicht zu sehen. »Hat Rachel es dir erzählt?«, fragte ich. »Mir geht’s gut. Es war bloß Fieber. Ich

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