Ruinen der Macht
war aber längst angekündigt gewesen, und sein Motiv schien daher weniger wichtig als das Marta Kinsol-vings. Sie, ihre Firma und die MBA profitierten enorm von den jüngsten Entwicklungen. Das Geld für die GlobalNetz-Finanzierung hätte noch ein ganzes Jahr im bürokratischen Genehmigungsverfahren festhängen können, hätte Austins Vater die Freigabe nicht beschleunigt. Sie oder AWC hatten schnell und gewaltig davon profitiert. Doch es gab keine erkennbare Beziehung zu Dales Tod. Austin runzelte die Stirn. Die Sache mit dem Motiv war doch nicht so eindeutig, wie er geglaubt hatte.
Ein wütendes Zischeln lenkte seine Aufmerksamkeit von Marta auf Lady Elora. Sie putzte ihren Regisseur herunter, weil er in einer Kameraeinstellung irgendein winziges Detail übersehen hatte. Die Informationsministerin hatte von der Berichterstattung über die Gefechtsübung und über Dales Tod profitiert. Die Nachrichten des MfI erreichten die höchsten Einschaltquoten des Planeten, und das immer weiter wachsende Publikum sah neben der Berichterstattung auch Eloras neueste Stiche gegen den Gouverneur und dessen Regierungsführung - beziehungsweise deren Scheitern. Seit Dales Tod war es in anderen Städten Mirachs zu vereinzelten Unruhen gekommen, aber Austin wusste, es war nur noch eine Frage der Zeit, bis das Fass überlief. Er brauchte bloß aus dem Palast in die Stadt zu gehen, um die Spannung zu spüren. Elora trieb die Zuschauer fast dazu, Recht und Gesetz auf Mirach auf die Probe zu stellen, um herauszufinden, ob die Republik und ihre Repräsentanten für die Menschen des Systems noch relevant waren.
Austin wusste nicht, was Eloras Zorn erregt hatte, aber ihr Regisseur gab verängstigt klein bei. Barnaby war hektisch bemüht, die Einstellungen zu verändern und Kameras zu verschieben, bevor er die Sendung weiter ins Ministerium für Information übermittelte.
Die Sprecher auf dem Podium verlasen ihre Schlussworte, und die
Pressekonferenz näherte sich dem Ende, als sein Vater wieder ans Rednerpult trat. »Danke, Ms. Kinsolving. Wir freuen uns bereits darauf, in naher Zukunft - in nächster Zukunft - die Früchte praktisch sofortiger Kommunikation zu ernten.« Die kleine Gruppe von Reportern explodierte förmlich vor Fragen, aber Sergio erklärte entschieden: »Das war alles. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.«
Sergio hinterließ den Eindruck, GlobalNetz sei besser als das HPG, obwohl Austin klar war, dass das unmöglich stimmen konnte. Trotzdem fragte er sich, ob das AWC-Projekt Lady Elora und den Würgegriff würde umgehen können, in dem sie die Nachrichtenberichterstattung hielt.
»Sohn«, wandte Sergio sich an ihn, während er zur Tür ging. »Ich habe eine Kabinettsbesprechung. Die Ventrale-Koalition macht mir seit Jahrzehnten das Leben schwer, und daran hat sich auch jetzt nichts geändert. Kümmere dich um die Angelegenheit, die wir besprochen hatten, ja?«
Bevor Austin mehr als kurz nicken konnte, war sein Vater bereits vorbei und in ein Gespräch mit seinem Minister für Bergbau und Energie vertieft. Austin trat einen Schritt zurück und machte den Weg für Eloras Crew frei, die ihre Ausrüstung abtransportierte. Es dauerte keine fünf Minuten, und sie waren verschwunden. Marta Kinsolving blieb im Konferenzsaal, zusammen mit Nagursky und Chin.
»Mein Vater wird einige Zeit in der Kabinettsbesprechung bleiben«, erwähnte Austin, in der Annahme, dass sie auf den Gouverneur warteten.
»Wir haben hier nichts mehr zu erledigen. Danke, Baronet Ortega«, antwortete Dr. Chin mit einer minimalen Verbeugung in seine Richtung. Nagursky grunzte nur, als hätte ihm jemand den Finger in den Bauch gestoßen, riss den Kopf zum Ausgang und zog gemeinsam mit dem ältlichen Genetiker ab. Marta blätterte in einem Stapel Papiere, steckte sie in eine Mappe und wollte ebenfalls gehen.
Austin zögerte, dann trat er auf sie zu. »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
Marta hob die Augenbrauen. Ihre braunen Augen fixierten ihn.
»Danke, ich bin selbst in der Lage, meine Unterlagen zu tragen.«
»Sie hatten mir eine Besichtigung bei AWC versprochen, als wir auf dem Landefeld auf den Gesandten Parsons warteten.« Sie stieß einen tiefen Seufzer der Resignation aus. Dann lächelte sie.
»Entschuldigen Sie. Ich wollte nicht den Eindruck erwecken, dass Sie stören. Ich bin nur durch das Global-Netz-Projekt sehr in Zeitnot. Die Arbeit türmt sich auf meinem Schreibtisch, wenn ich nicht zur Stelle bin, um sie zu erledigen. Aber Sie
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