Ruinen der Macht
hatten natürlich auch kaum freie Zeit, nicht wahr? Mein Beileid zu Ihrem Verlust.«
In Austins Ohren klang das ehrlich, aber er war sich nicht sicher, inwieweit er ihr trauen konnte. Er bewegte sich durch ein Minenfeld und konnte Freund und Feind nicht unterscheiden.
»Danke«, antwortete er. »Sobald Sie die Zeit finden.«
»Setzt Ihr Vater Sie als Verbindungsmann für das GlobalNetz-Projekt ein?«
»Ich tue mein Bestes, ihm einen Teil der Last abzunehmen.«
»Falls Sie sich frei machen können, begleiten Sie mich. Ich muss in die Labors, um mich zu vergewissern, dass wir all die prächtigen Geräte, die ich gerade versprochen habe, auch herstellen und pünktlich liefern können.«
Austin war sich der Blicke bewusst, die ihnen auf dem Weg durch den langen Korridor folgten, der sich durch den Büroflügel des Facettenpalastes erstreckte. Er versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen, wenn er Soldaten im Waldgrün der Heimatgarde Tortorellis bemerkte, die sie aus versteckten Positionen beobachteten. Austin war sich nicht sicher, was er davon halten sollte, dass der Legat Gardisten in den Palast geschickt hatte. Warum benahmen sich die Soldaten eher wie Spione denn wie Wachen?
Austin und Marta Kinsolving traten durch den Westausgang hinaus in den windigen Nachmittag. Die Sonne senkte sich als riesiger roter Fleck einem nebligen Horizont entgegen. Vom Meer her waren Wolken aufgezogen und versprachen Regen, aber Austin wusste, um diese Jahreszeit blieb es meistens bei dem Versprechen. Cingulum konnte bis zum Beginn des Monsuns im Herbst nicht mehr mit kräftigerem Regenfall rechnen.
»Ich werde einen Wagen anfordern ...«, setzte er an.
»Sie können bei mir mitfahren. Es ist ein Firmenwagen«, winkte Marta ab.
Austin schluckte. Die schnittige weiße Limousine schien einen ganzen Häuserblock lang, mit genug Platz für alle Beschäftigten des Palasts. Lautlos öffnete sich ein Schlag und Marta duckte sich ins Innere. Austin folgte und ließ sich ihr gegenüber auf einem weichen Ledersitz nieder, der so bequem war, dass es an eine Sünde grenzte.
»Ich bin mehr an das Cockpit eines BattleMechs gewohnt.« Sie zuckte zusammen. »Ich wollte sagen, eines BattleMech-Simulators«, korrigierte er sich hastig. »Das ist ein AWC-Gerät, oder?«
»Es wird von einer unserer Tochterfirmen hergestellt. Es besteht nicht sonderlich viel Nachfrage mehr danach.« Marta entspannte sich etwas, doch Austin erkannte, dass er sie verunsichert hatte.
»Erzählen Sie mir vom GlobalNetz. Wird es tatsächlich das HPG ersetzen?«
»Natürlich nicht«, verneinte Marta, immer noch zurückhaltend. »Aber wir werden in der Lage sein, direkte Gespräche beinahe ohne Zeitverlust herzustellen. Momentan laufen sämtliche Kommverbindungen mehr schlecht als recht über Bodenrelaisstationen.«
Fast hätte Austin hinzugefügt: die vom Ministerium für Information überwacht werden. Aber er beherrschte sich noch rechtzeitig. Er hatte es aus Martas Worten herausgehört, auch ohne dass sie es ausdrücklich gesagt hatte.
»GlobalNetz wird diese Engpässe umgehen?«
»Durch die Übermittlung an eines der Mondrelais und zurück. Mit einem Netzwerk von Relais an der Oberfläche und im Orbit können wir das Millionenfache dessen an Nachrichtenverkehr bewältigen, was derzeit möglich ist. Und es wird möglich sein, mit einem einzigen tragbaren Kommgerät nicht nur Vidphonverbindungen zu nutzen, sondern auch kommerzielle Sendungen zu empfangen.«
»Wird Lady Elora das zulassen?«
»Sie ist vielleicht Ministerin für Information, aber der Privatwirtschaft kann sie deshalb noch lange keine Vorschriften machen. Mit dem Segen - und dem Geld - Ihres Vaters wird sich das Informationsministerium an eine deutlich kleinere Rolle gewöhnen müssen, als es sie heute noch spielt.«
Austin lehnte sich zurück und räkelte sich ein wenig auf dem weichen Leder, während er sich das durch den Kopf gehen ließ. Nach der heutigen Bekanntmachung würde AWC zum Ziel der Propaganda Lady Eloras werden, falls Marta die nötige Ausrüstung nicht schnell an Ort und Stelle brachte.
»Es wird die Kommunikation auf Mirach revolutionieren«, stellte sie fest.
»Aber es ist kein HPG.«
»Nein«, wiederholte Marta, in etwas feindseligerem Ton als zuvor. »Da wir uns auf die Republik nicht mehr verlassen können, werden wir unsere eigene Technologie einsetzen. GlobalNetz wird nicht zusammenbrechen - wie die Hyperpuls-Verbindungen.«
Nach einer dermaßen mutigen Erklärung,
Weitere Kostenlose Bücher