Ruinen der Macht
eine Lanze nach der anderen, und >zur besseren Integration< zu anderen Einheiten versetzt, bis ihr Zusammenhalt als Einheit zerstört war. Er hatte Gerüchte aufgeschnappt, dass er selbst in eine Test-gruppe versetzt werden sollte: eine nicht existente Testkompanie ohne Aufgabe. Das hieß, man würde ihn einen Schreibtisch steuern und Berichte über gar nichts schreiben lassen, die niemand las.
Manfred lächelte bei dem Gedanken an eine derartige Einteilung. Sie war für das, was er zu tun hatte, perfekt geeignet.
Nichts anderes hatte er erwartet, als Gouverneur Ortega die Einheit Tortorellis Befehl unterstellt hatte. Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass der Legat die Truppen gegen die Bevölkerung mobilisierte, mit der Entschuldigung, Austin würde eine Revolte anführen. Das war dermaßen absurd, dass Manfred sich fragte, warum dieses Gerücht nicht das schallende Gelächter erntete, das es verdiente. Vermutlich hatte Lady Elora etwas damit zu tun. Wahrscheinlich sogar eine ganze Menge.
Er stand auf, ging ein Stück in Richtung Aufzug und blieb am freien Schreibtisch eines Majors stehen. Er aktivierte die Kommeinheit, wählte eine Ziffernfolge, zählte bis drei und unterbrach die Verbindung.
Anschließend suchte er sich einen Weg zwischen den Schreibtischen hindurch und hinunter zur Garage. Er fand ein Motorrad, kritzelte seinen Namen ins Fahrtenbuch, stieg auf und fuhr los.
Manfred genoss den Fahrtwind im Gesicht. Der Hauch der Gefahr ließ seinen Atem schneller gehen, und der Duft der Gräser, die an der Straße in die Stadt wuchsen, erinnerte ihn an den Bauernhof seiner Eltern, auf dem er aufgewachsen war. Damals hatte er das Gefühl gehabt, sein ganzes Leben bestünde darin, Unkraut zu jäten.
Manfreds Nase juckte. Ihm wurde klar, dass sich so viel nicht geändert hatte. Damals waren die störrischen Pflanzen, die er umgemäht hatte, knöchelhohe Winden und die höheren blaugrauen Grassorten gewesen. Jetzt jätete er das Unkraut im Garten des Gouverneurs.
Er legte sich mit hoher Geschwindigkeit in eine Kurve. Das Hinterrad brach aus und er hielt an. Er blickte sich um. Sein Rad war das einzige Fahrzeug auf dieser Seite der Umgehungsstraße. Eine lang-same Schlange von Wagen bewegte sich auf den Hochhauskomplex zu, den er gerade verlassen hatte, doch niemand folgte ihm. Manfred fummelte in einer Jackentasche und setzte eine Brille auf. Nach ein paar Sekunden Justierung konnte er den rötlichen Himmel nach Spuren fliegender Spionagesonden absuchen. Die IR-Linsen zeigten Wärmereflexionen von ein paar Metallflächen, aber Manfred entschied, dass sie von hoch fliegenden Flugzeugen stammten. Er hatte nicht den Eindruck, dass ihn irgendwer verfolgte oder elektronisch überwachte.
Er drehte den Motor auf, bis er heulte, und raste weiter. Die Zeit arbeitete gegen ihn, aber er musste sichergehen, dass niemand sah, mit wem er sich traf.
Er fuhr quer durch Cingulum, schlidderte mit halsbrecherischer Geschwindigkeit um Straßenecken, wurde in zufälligen Abständen langsamer und schneller, um mögliche Überwacher abzuschütteln. Mehr als einmal kehrte er um, hielt an und fuhr eine Seitenstraße in eine heruntergekommene Gegend der Stadt, von wo aus er nach Verfolgern Ausschau hielt, und die ganze Zeit - wirklich die ganze Zeit - behielt er die IR-Sensorbrille auf. Im Feld half sie, feindliche Kröten und Motorfahrzeuge zu entdecken. Hier warnte sie ihn vor fliegenden Kameras.
Erst als er absolut sicher war, dass ihn niemand beobachtete, bog Manfred Leclerc in eine enge, mit Müll übersäte Gasse und lehnte das Motorrad an eine Hauswand. Er klopfte sich den Staub von der Kleidung, trat auf die Straße hinaus und ging geradewegs zu einem kleinen Buchladen, der wie zwischen zwei größeren Geschäften eingeklemmt wirkte. Er betrat den Laden, unterdrückte den Drang, sich umzudrehen und ein letztes Mal auf die Straße zu schauen, ob ihn jemand gesehen hatte. Dann ging er zu dem Verkäufer hinter einem langen Tresen, der sich durch drei Viertel des Geschäfts zog.
»Ich hätte gern ein Geschichtsbuch«, sagte er.
»Geschichte ist ein staubtrockenes Thema«, erhielt er zur Antwort. »Vielleicht würde Ihnen etwas anderes mehr liegen.« Der Verkäufer wirkte gelangweilt und schaute nicht hoch. Er saß hinter dem Tresen und las in einem Buch.
»Dann kaufe ich halt ein Kochbuch.«
Der Mann hob den Kopf, deutete wortlos mit dem Kinn zu einer Wendeltreppe hinauf in den zweiten Stock, griff unter den Tresen und
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