Ruinen der Macht
war für ihre Zwecke weit dienlicher - gewaltige Verluste an Menschenleben zu melden, als handele es sich um amtlich bestätigte Fakten. Das lieferte den Leuten Material für Spekulationen.
»Kannst du garantieren, dass Kinsolving und der Baronet uns keine Probleme machen?«, fragte sie. »Was ist mit diesem abtrünnigen Captain?«
»Leclerc?« Tortorelli beendete seine Besichtigungstour des Arbeitszimmers und die Inspektion sämtlicher Kunstgegenstände und Statuetten, dann blieb er vor einem riesigen falschen Fenster stehen, um hinaus über die Stadt zu schauen. Elora streckte eine juwelengeschmückte Hand aus, um das Bild zu ändern und zu sehen, wie der Legat reagierte. Aber sie hielt in der Bewegung inne. Es interessierte ihn nicht wirklich, dass er einen kunstvoll versteckten Wandbildschirm anstarrte.
»Im Borzoi hast du ihn nicht festgenommen. Deine Militärpolizei hat es ebenso wenig geschafft, ihn seit seiner Flucht wieder aufzuspüren.«
»Das Borzoi?« Tortorelli zog die Stirn in Furchen und versuchte, sich an den Namen zu erinnern.
»Das Lokal, in dem es den MP nicht gelungen ist, ihn und den jungen Ortega zu töten.«
»Hieß das so?« Tortorelli schüttelte den Kopf. »Irgendein Offizier, dem ich überhaupt keine Genehmigung erteilt hatte, hat die Aktion geleitet. Ich bin sicher, man hat ihn für seine Inkompetenz inzwischen zur Rechenschaft gezogen. Es steht in dem Bericht, den mein Stab geschrieben hat.«
Elora lachte, der Legat hatte jedoch keine Ahnung, warum. Torto-relli stand genau auf dem Fleck, an dem ein einzelner Schuss aus ihrer Pistole das Blut des falschen MP-Offiziers vergossen hatte. Sie hatte die Leiche am Rand eines Aufstands auf die Straße werfen lassen, und niemand hatte es bemerkt, noch hatte es irgendjemanden interessiert. Eines Tages würde den Legaten dasselbe Schicksal ereilen. Aber nicht heute. Noch brauchte sie ihn.
Elora ging in Gedanken die möglichen Nachfolger Tortorellis durch, nachdem der Gouverneur abgesetzt war. Präfekt Radick würde in dieser Angelegenheit sicher auf ihren Vorschlag hören, da er ihm die Kontrolle über Mirach sicherte.
»Bist du inzwischen näher an einer Festnahme Leclercs, Calvi?« Sie senkte die Stimme zu einem kehligen Flüstern, um ihr jede Spur von Kritik zu nehmen. Sie hatte von klein auf gelernt, dass man mit Honig mehr Fliegen fing als mit Essig, auch wenn ihr Bedarf an einem Insekt wie Tortorelli rein nebensächlich war. Er saß bereits in der Falle, und sobald es mit seiner Nützlichkeit vorbei war, konnte sie ihn ohne weitere Umstände erschlagen.
»Meine besten Offiziere sind auf der Suche nach ihm. Er könnte sich im Ruinenfeld versteckt halten.«
»Da werden sie ihn niemals aufspüren, es sei denn du setzt ausreichende militärische Mittel ein, um die Häuser einzureißen, die noch stehen.« Ruinenfeld war der Name, den ihre Nachrichtensprecher -intern - einem besonders heruntergekommenen Teil der Stadt gegeben hatten. Das zehn Häuserblocks große Viertel enthielt nichts als ausgebrannte Gebäude und zwielichtige Gestalten.
»Das ist möglicherweise gar keine so schlechte Idee. Danke für den Vorschlag, Elora.«
Soeben hatte Elora den nächsten Schritt ihres Planes vorbereitet, Gouverneur Ortega noch irrelevanter zu machen und Legat Torto-relli das Image eines bluttriefenden Schlächters zu verpassen. Sie musste sich zwar vorsehen, sich nicht von übertriebener Selbstsicherheit überwältigen zu lassen, doch es war beinahe an der Zeit, sich mit Präfekt Kai Radick in Verbindung zu setzen und ihn auf diese feine Welt einzuladen.
Trümmerfeld, Cingulum, Mirach Präfektur IV, Republik der Sphäre
3. Mai 3133
Austin zuckte beim kleinsten Geräusch zusammen. Die meisten wurden von Ratten und anderen Aasfressern verursacht, die sich an den Kadavern gütlich taten, die auf den Straßen lagen - beziehungsweise auf dem, was von den Straßen noch übrig war. Ganze Häuser waren eingestürzt. Vor dem geistigen Auge sah er, wie die Fassaden bröckelten und auf die Demonstranten herabstürzten, die im Gedränge nicht ausweichen konnten. Dann folgte der Rest des Gebäudes, durch Brände bis ins Fundament geschwächt, seiner Fassade in einer langsamen, beinahe majestätischen Abrissorgie.
Der Gestank nach Tod und Verfall stieg ihm zusammen mit dem allgegenwärtigen Staub unangenehm in die Nase. Doch er wanderte vorsichtig weiter durch die Trümmer. Austin umklammerte die kleine Pistole, die ihm Marta Kinsolving mitgegeben hatte, so
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