Ruinen der Macht
einem Ohr zum anderen.
»Mehr als Sie glauben würden, Herr Baron. Keine Ahnung, wie das passieren konnte«, kicherte er, »aber ich habe den Dienstplan geschrieben, und wie der Teufel es will, sind doch tatsächlich über die Hälfte von den Besten der Besten hier statt irgendwo anders.« Borodin hüstelte gespielt bescheiden. »Und dann bin da noch ich.«
»Sie haben schon eine Menge getan, Master Sergeant. Dass Sie mich letzte Woche über den fehlenden Sprengstoff informiert haben, war hilfreicher, als Sie ahnen.« Sergio strich mit der Hand über sein GlobalNetz-Telefon, hob es aber nicht auf. »Haben Sie herausgefunden, wo sich Austin befindet?«
»Nachdem Sie ihm erzählt haben, dass der Gesandte auf dem Rückweg ist, Herr Baron, ist er spurlos verschwunden. Vorwürfe kann ich ihm deswegen keine machen. Tortorellis Garde wollte ihm den Hals umdrehen, weil er sie wie Idioten hat aussehen lassen. Ich habe die letzten paar Tage überall rumgefragt und nach einer Spur von ihm gesucht.« Borodin schüttelte den Kopf. »Es ist, als wäre er vom Mirachboden verschluckt worden.«
»Aber es gibt keine Gerüchte, dass Tortorellis Truppen ihn geschnappt haben?«
»Nicht einmal den Hauch. Im Gegenteil, wenn überhaupt etwas. Die Donnerwetter von ganz oben kommen dicht und heftig, weil keiner den Lieutenant findet. Den Baronet, wollte ich sagen, Herr Gouverneur.«
»Geht schon in Ordnung«, beruhigte Sergio den Master Sergeant. Er wusste, dass Borodin Austin in erster Linie als Offizier betrachtete. Er wusste, sein Sohn konnte auf sich selbst aufpassen, aber jetzt hätte er sich gerade gewünscht, er wäre hier, so wie er sich Manfred Leclerc an seiner Seite wünschte. Doch Sergio hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass man nicht immer haben konnte, was man sich wünschte.
»Schaffen Sie alle Gardisten Tortorellis aus dem Weg, die sich weigern, den Palast zu verteidigen«, befahl er. »Aber bringen Sie sie nicht um. Schließen Sie sie im Keller des Ostflügels ein. Der Weinkeller hat schwere Türen, die man, wenn sie verriegelt sind, ohne Sprengstoff nicht öffnen kann.«
»Was? Sie lassen diese Bande an Ihren guten Wein, Herr Gouverneur?«
»Er wird helfen, sie ruhig zu halten«, erwiderte Sergio. Ihm gefiel, wie der Verstand des Unteroffiziers arbeitete. »Übernehmen Sie die Kontrolle über die schweren MG-Nester, die Tortorelli an den Eingängen hat aufbauen lassen. Falls Sie nicht genug 1KL-Soldaten finden, um sie alle zu bemannen, fallen Sie in die Palastkorridore zurück, bis Sie mit den Leuten, die Sie haben, die Flurkreuzungen sichern können. Falls es nötig wird, kann ich Ihnen eine Karte mitgeben.«
»Herr Gouverneur, ich bewache Sie jetzt seit fast drei Jahren. Es gibt nicht viele Teile des Facettenpalastes, die ich und die anderen noch nicht ausgekundschaftet haben. Nur um zu wissen, von wo eine Gefahr drohen könnte, versteht sich.«
»Machen Sie sich wegen möglicher Schäden am Palast keine Ge-danken. Bringen Sie sich nicht unnötig in Gefahr.«
»Herr Gouverneur, wir werden für unsere Sicherheit sorgen, für Ihre und auch für die des Palastes.« Borodin salutierte zackig und rannte davon. Unterwegs bellte er Befehle. Wie ein Rattenfänger lockte er Soldaten im Mattgrün der Infanterie Tortorellis aus allen Ecken des Großen Korridors. Sergio erkannte sie alle als Ehemalige Kosaken-Lanciers. Dieser Teil des Plans hatte funktioniert.
Tortorelli war in der Einteilung seiner Soldaten nachlässig geworden, weil er geglaubt hatte, alle Truppen im Palast stünden loyal hinter ihm. Sergio plante, erhebliche Fortschritte bei seiner Neutralisierung und der Lady Elora Rimonowas zu machen, bevor der Legat merkte, dass mit seinem Schoßgefangenen etwas nicht stimmte.
Ortega schloss einen Moment lang die Augen, dann verdrängte er das Bedauern. Er hatte Elora und ihren krankhaften Ehrgeiz ignoriert. Fast hätte ihn das seine Welt gekostet. Als er erkannte, dass sie plante, Mirach aus der Republik zu lösen, war sie schon viel zu stark gewesen, um sie einfach absetzen zu können. Schlimmer noch, Sergio hatte nie herausgefunden, ob sie nun ein Bündnis mit Kai Radick eingegangen war oder nicht.
Falls diese so genannten Stahlwölfe ihretwegen auf Mirach auftauchten, befürchtete Sergio ernsthaft, dass außer Eloras Ambitionen nichts von der Welt, die er kannte, übrig bleiben würde. Doch wie die Dinge derzeit lagen, hatte Lordgouverneur Sandoval sich gegen Tortorelli und Elora entschieden und seinen
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