Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)
»Gut, ihr harten Männer, gehen wir.« Einer zerrte mich vom Boden hoch, dann wurden wir durch den Korridor getrieben, mit schmerzhaft auf den Rücken gedrehten Armen.
Am Ende des Korridors kamen wir in einen großen Raum voller Leute und Cops und Schreibtische, und hier saß, an einem Tisch in der Mitte des Raums – Moberg. Er kritzelte gerade etwas in sein Notizbuch.
»Moberg!« schrie ich. Es war mir egal, ob sie mich dafür schlagen würden, wenn ich ihn nur auf mich aufmerksam machen könnte. »Ruf Lotterman an! Wir brauchen einen Anwalt!«
Als Sala den Namen Moberg hörte, schaute er auf und
schrie voller Wut und Schmerz: »Alter Schwede! Bei Gott im Himmel, ruf irgend jemanden an! Die bringen uns um!«
Doch wir wurden rasch durch den Raum getrieben, und ich erhaschte nur einen flüchtigen Blick von Moberg, ehe wir in einen anderen Flur kamen. Die Cops achteten nicht auf unser Geschrei. Offenbar waren sie es gewohnt, daß Leute verzweifelt herumschrien, wenn sie dorthin kamen, wohin man uns jetzt führte. Meine letzte Hoffnung war, daß Moberg nicht zu betrunken gewesen war, um uns zu erkennen.
Die nächsten sechs Stunden verbrachten wir zusammen mit ungefähr zwanzig Puertoricanern in einer winzigen Betonzelle. Wir konnten uns nicht hinsetzen, weil der Boden vollgepißt war, standen in der Mitte des Raums und gaben Zigaretten aus, als wären wir Vertreter des Roten Kreuzes. Die anderen waren ein bedrohlich aussehender Haufen. Einige waren betrunken, andere schienen nicht ganz zurechnungsfähig zu sein. Ich fühlte mich sicher, solange wir sie mit Zigaretten versorgen konnten. Aber ich fragte mich, was passieren würde, wenn sie ausgingen.
Die Lösung unseres Problems war das Angebot des Wachmanns – fünf Cents pro Zigarette. Jedesmal, wenn wir eine für uns selbst kaufen wollten, mußten wir gleich zwanzig Stück nehmen – für jeden in der Zelle eine. Nach zwei Runden ließ der Wachmann eine neue Stange holen. Später rechneten wir aus, daß uns der Aufenthalt in der Zelle über fünfzehn Dollar gekostet hatte, die Sala und ich bezahlten; Yeamon hatte keinen Cent mehr.
Als der Wachmann die Tür öffnete und uns herauswinkte, kam es uns vor, als hätten wir sechs Jahre hier verbracht. Sala konnte kaum gehen, und Yeamon und ich waren so müde, daß wir ihn nur mit Mühe unterstützen
konnten. Ich hatte keine Ahnung, wo wir landen würden. Wahrscheinlich im Verlies, dachte ich. So verschwinden Menschen.
Wir gingen den Weg durch das Gebäude über mehrere Korridore entlang wieder zurück und wurden schließlich in einen großen Gerichtssaal geführt. Als wir durch die Tür geschoben wurden – und genau so verdreckt und zerzaust aussahen wie die schlimmsten Penner in der Zelle, die wir eben verlassen hatten – schaute ich mich ängstlich um und suchte nach einem vertrauten Gesicht.
Die Türen des Gerichtssaals schlossen sich, und ich suchte einige Minuten die Reihen ab, bis ich Moberg und Sanderson mit ernsten Gesichtern allein in einer Ecke stehen sah.
»Gott sei Dank«, sagte Sala. »Die Kontaktaufnahme hat funktioniert.«
»Ist das Sanderson?« fragte Yeamon.
»Sieht so aus«, sagte ich und hatte nicht die leiseste Ahnung, was das bedeuten sollte.
»Was will dieser Schwanz hier?« murmelte Sala
»Es könnte verdammt noch mal Schlimmeres geben«, sagte ich. »Wir können froh sein, daß überhaupt jemand da ist.«
Es dauerte noch fast eine Stunde, bis unser Fall aufgerufen wurde. Der Oberbulle war der erste, der das Wort hatte. Er machte seine Zeugenaussage auf Spanisch. Sala, der ihn als einziger von uns teilweise verstand, nuschelte ohne Unterbrechung: »So ein verlogener Dreckskerl … behauptet glatt, wir hätten gedroht, alles kurz und klein zu schlagen … den Geschäftsführer angegriffen … Zeche geprellt … einen Cop verprügelt … oh mein Gott … eine Schlägerei im Hauptquartier angezettelt … Oh Gott, das ist zu viel! Wir sind geliefert!«
Als der Oberbulle fertig war, bat Yeamon um eine Übersetzung der Zeugenaussage, aber der Richter ignorierte ihn einfach.
Als nächstes redete der Geschäftsführer, schwitzend und wild gestikulierend; seine Stimme überschlug sich hysterisch, als er mit den Armen fuchtelte und mit den Fäusten drohte und auf uns zeigte, als hätten wir seine gesamte Familie niedergemetzelt.
Wir verstanden kein Wort von dem, was er sagte, aber es war leicht zu kapieren, daß die Sache gegen uns lief. Als wir schließlich an der Reihe waren,
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