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Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)

Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)

Titel: Rum Diary: Roman zum Film (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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könnt«, antwortete Sanderson. »Ihr seid bestimmt nicht lange draußen.«
    Schweigend legten wir den Rest der Strecke zurück. Als wir an der Plaza Colón vorbeifuhren, hörte ich die ersten Geräusche des Morgens, einen Bus, der seine Tour beginnt, die Rufe der Obstverkäufer. Und von irgendwo hoch oben auf einem Hügel drang das Heulen einer Polizeisirene herunter.

9
    NACH WENIGEN STUNDEN Schlaf weckte mich ein lauter Schrei. Es war Sala, der aufgesprungen war wie nach einem Alptraum. »Heilige Mutter!« rief er. »Der Wagen! Die Geier!«
    Erst wußte ich nicht, was er meinte. Dann fiel mir wieder ein, daß wir seinen Wagen auf einer Straße in der Nähe von Casa Cabrones zurückgelassen hatten. Einem einsam herumstehenden Auto sind die Puertoricaner durchaus aufgeschlossen  – besser gesagt, sie stürzen sich darauf wie ausgehungerte Tiere und nehmen alles auseinander. Als erstes verschwinden die Radkappen. Dann Reifen, Stoßstangen, Türen. Und schließlich bugsieren zwanzig bis dreißig Leute die abgespeckte Karosserie zu einem Schrotthändler – wie Ameisen, die einen toten Käfer abtransportieren. Dafür bekommen sie zehn Yanqui -Dollar – um die sie sich dann mit Messern und abgebrochenen Flaschen streiten.
    Yeamon kam nur langsam zu sich, stöhnend vor Schmerz. Um seinen Mund hatten sich Krusten von getrocknetem Blut gebildet. Er richtete sich auf seiner Matratze auf und starrte uns an.
    »Wach auf«, sagte ich. »Dein Scooter ist auch noch da draußen.«
    Sala schwang seine Beine über die Kante des Feldbetts. »Es ist zu spät. Sie hatten zwölf Stunden Zeit. Mein Gott, die zerlegen einen Wagen in zwölf Minuten. Wir können froh sein, wenn wir noch einen Ölfleck finden.«
    »Alles verloren?« sagte Yeamon. Er starrte uns noch immer an und war nicht ganz da.
    Ich nickte. »Sieht so aus.«
    »Himmel noch mal, wir müssen sofort hin!« rief er und sprang von der Matratze. »Wir erwischen sie schon noch, und dann schlagen wir denen ein paar Zähne aus!«
    »Immer mit der Ruhe«, sagte Sala. »Es ist sowieso schon alles gelaufen.« Er stand auf und streckte sich. »Mein Gott, ich fühl mich wie abgestochen.« Dann kam er zu mir. »Was ist bloß mit meiner Schulter los – siehst du da was, einen Einstich von einem Messer oder so?«
    »Nein«, sagte ich. »Höchstens einen Kratzer – vielleicht von einem Fingernagel.«
    Fluchend ging er ins Bad und duschte sich.
    Yeamon hatte sich bereits das Gesicht gewaschen und zog sich hektisch an. »Wir müssen schnell machen«, sagte er. »Nehmen wir ein Taxi.« Er öffnete eines der Fenster, und es wurde hell im Zimmer.
    Zögernd begann ich, mich anzuziehen. Ich war mit blauen Flecken übersät, jede Bewegung schmerzte. Eigentlich wollte ich mich gleich wieder ins Bett legen und den Tag über schlafen. Damit aber würde ich nicht durchkommen.
    Wir liefen einige Blocks hinunter zur Plaza Colón und stiegen in ein Taxi. Yeamon sagte dem Fahrer, wohin wir wollten.
    An einem Sonntagmorgen hatte ich die Stadt noch nie gesehen. Normalerweise stand ich gegen Mittag auf und ging bei Al ausgedehnt frühstücken. Die Straßen waren jetzt so gut wie leer. Nichts deutete auf das Chaos unter der Woche hin, wenn eine Armee von Händlern quietschend und lärmend in Autos durch die Stadt heizte. Die Hafengegend war wie ausgestorben, die Läden waren
geschlossen, nur in den Kirchen herrschte Betrieb. An einigen fuhren wir vorbei, und vor jeder hatten sich bunte Menschentrauben gebildet – dunkelhäutige Männer und Jungs in frisch gebügelten Anzügen, blumig wirkende Frauen mit Schleiern, kleine Mädchen in weißen Kleidern, und hier und da auch ein Priester in schwarzer Robe und mit hohem schwarzen Hut.
    Dann rasten wir über den langgezogenen Damm nach Condado. Hier war alles anders. Ich sah keine einzige Kirche mehr, und die Gehsteige waren voller Touristen in Sandalen und hellen Bermudashorts. Sie strömten aus den großen Hotels, quatschten, lasen Zeitung, trugen Umhängetaschen, hatten alle Sonnenbrillen auf, taten geschäftig und strömten in ihre Hotels zurück.
    Yeamon trocknete mit einem Taschentuch sein Gesicht ab. »Oh, Mann«, sagte er. »Wenn der Scooter weg ist – ich glaube, ich halte das nicht aus. Mein Gott, gefeuert, zusammengeschlagen, verhaftet …«
    Ich nickte, Sala schwieg. Er hatte sich über die Schulter des Fahrers gebeugt, als würde er erwarten, jeden Moment einen Haufen Leute zu sehen, die gerade seinen Wagen zerlegten.
    Stunden schienen

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