Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)
Lazard. Er schien noch schlechter gelaunt zu sein als Robbis. Es bereitete mir ein großes Vergnügen, das an Euphorie grenzte, als Zimburger in mürrischem Ton ankündigte, wir würden auf der Stelle nach San Juan zurückfliegen.
»Ich glaube, ich werde hier übernachten«, sagte ich. »Ich muß morgen nach St. Thomas, wegen einer Geschichte über den Karneval.« Ich schaute zu Martin rüber: »Wann geht die Fähre?«
Wir kamen jetzt in die Stadt rein, und Martin schaltete schnell in den zweiten Gang, um einen steilen Hügel hochzufahren. »Die Fähre ging gestern«, sagte er. »Aber es gibt auch ein Boot, das rüberfährt. Teufel auch, vielleicht bringe ich Sie sogar persönlich hin.«
»Klingt gut«, sagte ich. »Es macht keinen Sinn, daß ich zurück nach San Juan fliege. Sie können mich am Hotel rauslassen.«
»Später«, erwiderte er mit einem Grinsen. »Zuerst gibt’s was zu essen – können ja nicht die ganzen … äh … Langusten verkommen lassen.«
Wir fuhren Zimburger und Robbis und Lazard zum Flughafen raus, wo der Pilot friedlich im Schatten der Maschine schlief. Zimburger bellte ihn an, und er stand langsam auf, ohne dabei seine lustlose Miene abzulegen. Anscheinend war diesem Mann so ziemlich alles egal; mir war danach, Lazard anzustoßen und ihm zu sagen, daß wir beide den Anschluß verpaßt hatten.
Aber Lazard war in seine Grübeleien versunken, und ich sagte zu ihm nur: »Wir sehen uns.« Er nickte und kletterte ins Flugzeug. Robbis folgte ihm, und dann kam Zimburger, der sich neben den Piloten mit dem versteinerten Gesicht setzte. Sie starrten alle geradeaus, als die Maschine über die Rollbahn ruckelte und beim Abheben die Wipfel der Bäume streifte, um dann in Richtung Puerto Rico davonzufliegen.
Die nächsten paar Stunden saß ich in Martins Bar. Mit einem Freund von ihm aßen wir zu Mittag; auch er war früher bei den Marines gewesen, und jetzt besaß er eine Bar auf einem Hügel außerhalb der Stadt. »Trink aus«, sagte Martin immer wieder, »geht alles aufs Haus.« Er grinste boshaft. »Oder vielleicht sollte ich besser sagen – auf Mr. Zimburger. Sie sind sein Gast, richtig?«
»Stimmt«, antwortete ich und ließ mir noch ein Glas Rum geben.
Schließlich gab es den Hummer. Ich merkte sofort, daß er den ganzen Tag lang aufgetaut worden war, aber Martin sagte stolz, daß ihn die Boys eben erst gebracht hätten. Ich hatte eine Vision, wie Martin Hummer aus Maine bestellte, die Scheren ausriß und sie ins Eisfach steckte, um sie dann Zimburgers Gästen anzudrehen – und fein säuberlich
auf der Spesenrechnung aufzulisten. Ein Journalist – macht vierzig Dollar am Tag, Arbeit und Unterhaltung inklusive.
Nachdem ich zwei langostas verspeist und unzählige Drinks gekippt hatte, war ich müde von dem Gequatsche und stand auf, um zu gehen. »Wo geht’s zum Hotel?« fragte ich und bückte mich, um meine Ledertasche zu nehmen.
»Komm mit«, sagte Martin und ging zur Tür. »Ich bring dich rauf zum Carmen .«
Ich folgte ihm hinaus zum Bus. Wir fuhren etwa drei Blocks den Hügel hinauf zu einem niedrigen, pinkfarbenen Gebäude mit einem Schild, auf dem HOTEL CARMEN stand. Es schien keine Gäste zu geben, und Martin sagte der Frau, sie solle mir das beste Zimmer geben; er bezahle die Rechnung.
Bevor er wieder fuhr, meinte er, er würde mich am nächsten Tag mit der Barkasse nach St. Thomas bringen. »Wir müssen gegen zehn los«, sagte er. »Ich muß mittags da sein, weil ich einen Freund treffen will.«
Ich wußte, daß das eine Lüge war, aber egal. Martin war wie ein Automechaniker, der gerade entdeckt hatte, daß die Versicherung alles bezahlte; oder wie ein Landstreicher, der völlig durchdrehte, weil er zum ersten Mal über ein Spesenkonto verfügte. Ich freute mich auf den Tag, an dem Zimburger und er sich gegenseitig auf die Schliche kommen würden.
Das beste Zimmer im Carmen kostete drei Dollar, und es hatte einen Balkon, von dem aus man über die ganze Stadt und den Hafen schauen konnte. Ich war ziemlich vollgefressen und halb betrunken und legte mich sofort schlafen.
Zwei Stunden später wurde ich von einem Klopfen an
der Tür geweckt. »Señor«, sagte eine Stimme. »Sie sind zum Abendessen mit Señor Kingfish verabredet, oder?«
»Ich habe keinen Hunger«, sagte ich. »Hab gerade Mittag gegessen.«
»Sí«, antwortete die Stimme, und ich hörte schnelle Schritte auf der Treppe, die runter auf die Straße führte. Es war noch hell, und ich konnte nicht mehr
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