Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)

Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)

Titel: Rum Diary: Roman zum Film (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
Vom Netzwerk:
stand ich auf und ging langsam zur Tür hinüber.
    Sie hatte dieselben Sachen an, aber jetzt sah sie verstört und schmutzig aus. Die zarten Illusionen, die uns durchs Leben helfen, sind sehr zerbrechlich – und in diesem Moment, als ich mir Chenault so anschaute, wollte ich am liebsten die Tür zuschlagen und wieder ins Bett gehen.
    »Guten Morgen«, sagte ich.
    Sie sagte nichts.
    »Komm rein«, sagte ich schließlich und trat einen Schritt zurück, um den Weg freizumachen.
    Sie starrte mich weiter mit einem Ausdruck an, der mich nervöser machte als je zuvor. Es waren der Schock und die Erniedrigung, glaube ich, aber es lag noch etwas anderes darin – eine Mischung aus Traurigkeit und Rausch, fast wie ein Lächeln.
    Es war beängstigend, sie so zu sehen, und je länger ich ihren Gesichtsausdruck betrachtete, um so mehr war ich davon überzeugt, daß sie den Verstand verloren hatte. Dann kam sie herein und legte ihre Strohtasche auf den
Küchentisch. »Nett hier«, sagte sie mit leiser Stimme und sah sich im Apartment um.
    »Ja«, sagte ich. »Ganz in Ordnung.«
    »Ich wußte nicht, wo du wohnst«, sagte sie. »Ich mußte bei der Zeitung anrufen.«
    »Wie bist du hergekommen?« fragte ich.
    »Mit dem Taxi.« Sie neigte den Kopf zur Tür hin. »Der Fahrer wartet draußen. Ich habe kein Geld.«
    »Du lieber Gott«, sagte ich. »Gut, ich gehe raus und bezahle – wieviel macht es?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Weiß nicht.«
    Ich holte meine Brieftasche und ging zur Tür. Dann erst merkte ich, daß ich nur meine Shorts anhatte. Ich ging zum Wandschrank, zog meine Hose an und hatte das dringende Bedürfnis, hier rauszukommen und meine Gedanken zu ordnen. »Keine Sorge«, sagte ich. »Ich mach das schon.«
    »Ich weiß«, sagte sie müde. »Kann ich mich hinlegen?«
    »Klar«, antwortete ich und sprang herüber zum Bett. »Ich mach dir schnell das Bett – es ist eines dieser Betten, aus denen man eine Couch machen kann.« Ich zog das Laken glatt, schlug die Bettdecke ein und strich die Falten weg wie ein Zimmermädchen.
    Sie setzte sich aufs Bett und sah mir zu, wie ich ein Hemd anzog. »Du hast ein wundervolles Apartment«, sagte sie. »So viel Sonne.«
    »Ja«, erwiderte ich, während ich zur Tür ging. »Also, ich geh jetzt das Taxi zahlen – bin gleich zurück.« Dann lief ich die Treppe hinunter und auf die Straße. Der Fahrer lächelte glücklich, als ich auf ihn zu ging. »Wieviel?« fragte ich und öffnete meine Brieftasche.
    Er nickte erwartungsvoll. »Sí, bueno. Señorita sagt, du zahlen. Bueno, gracias. Señorita ist nicht okay.« Er zeigte vielsagend auf seinen Kopf.
    »Stimmt«, sagte ich. »Cuanto es?«
    »Ah, sí«, antwortete er und hielt sieben Finger hoch. »Sieben dólares, sí.«
    »Du spinnst wohl!« sagte ich.
    »Sí«, sagte er schnell. »Wir fahren überall, hin und her, halten hier, halten da …« Wieder schüttelte er den Kopf. »Ah, sí, zwei Stunden, muy loco, Señorita sagt, du zahlen.«
    Ich gab ihm seine sieben Dollar und nahm an, daß er mich anlog, glaubte ihm aber, als er sagte, der Morgen sei muy loco gewesen. Da gab es keinen Zweifel, und jetzt war ich an der Reihe. Ich sah ihm nach, als er davonfuhr, dann ging ich rüber zu einem Platz unter dem Flamboyant-Baum, den man von meinem Fenster aus nicht sehen konnte. Was zum Teufel soll ich bloß mit ihr machen, dachte ich. Ich war barfuß, der Sand unter meinen Füßen war kühl. Ich schaute zum Baum hoch, dann zum Fenster des Apartments. Dahinter wartete sie, schon auf dem Bett. Die NEWS war kurz davor dichtzumachen, und ich hatte plötzlich ein völlig mittelloses Mädchen am Hals – und noch dazu eine Verrückte. Was konnte ich Yeamon sagen? Oder Sala? Das Ganze war zuviel. Ich entschied mich dafür, daß ich sie loswerden mußte, selbst wenn das hieß, daß ich ihr den Rückflug nach New York bezahlen müßte.
    Ich ging wieder hoch, öffnete die Tür und fühlte mich entspannter, jetzt, da ich einen Entschluß gefaßt hatte. Sie lag ausgestreckt auf dem Bett und starrte an die Decke.
    »Hast du schon gefrühstückt?« fragte ich und bemühte mich, fröhlich zu klingen.
    »Nein«, antwortete sie, so leise, daß ich es kaum hörte.
    »Also, es ist alles da«, sagte ich. »Eier, Speck, Kaffee, was du willst.« Ich ging hinüber zur Spüle. »Wie wär’s mit Orangensaft?«
    »Orangensaft, sehr gern«, sagte sie, immer noch an die Decke starrend.
    Ich briet Speck in der Pfanne und machte Rühreier und war froh, daß ich

Weitere Kostenlose Bücher