Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)
auf einen Drink über die Straße. Ich erzählte Sala von Chenault, und er rutschte nervös auf seinem Platz herum, während ich redete.
»Mann, das ist ja grauenvoll!« rief er, als ich zu Ende erzählt hatte. »Gott, mir wird richtig schlecht!« Er schlug mit der Faust auf den Tisch. »Verdammt noch mal, ich hab doch gleich gewußt, daß irgend so was passieren wird – hab ich’s dir nicht gesagt?«
Ich nickte und starrte auf mein Eis.
»Warum zum Teufel habt ihr nichts unternommen?« wollte er wissen. »Yeamon ist doch ganz gut darin, Leuten ins Gesicht zu schlagen – wo war er denn die ganze Zeit?«
»Es ging einfach alles zu schnell«, sagte ich. »Er wollte es beenden, aber sie haben auf ihn eingetreten.«
Er dachte einen Moment nach. »Warum hast du sie überhaupt dorthin mitgenommen?«
»Hör mal«, sagte ich. »Ich bin doch nicht da rübergefahren, um für irgendein geistesgestörtes Mädchen die Gouvernante zu spielen.« Ich sah ihn über den Tisch hinweg an. »Warum bist du nicht zuhause geblieben und hast ein gutes Buch gelesen in der Nacht, in der dich die Bullen verprügelt haben?«
Er schüttelte den Kopf und sank auf seinen Platz zurück. Nach zwei oder drei Minuten des Schweigens schaute er auf. »Wo zum Teufel wird das noch enden, Kemp? Ich beginne wirklich zu glauben, daß wir verdammt und verloren sind.« Er kratzte sich nervös im Gesicht und senkte die Stimme. »Das ist mein Ernst«, sagte er. »Wir trinken immer weiter, und diese fürchterlichen Dinge passieren immer weiter, und jedesmal ist es schlimmer als zuvor …« Er fuhr mit der Hand durch die Luft, mit einem Ausdruck von Hoffnungslosigkeit. »Himmel, es ist wirklich kein Spaß mehr – uns allen geht gerade gleichzeitig das Glück aus.«
Als wir zurück in die Redaktion kamen, dachte ich über seine Worte nach, und langsam glaubte ich, daß er recht
hatte. Er sprach von Glück und vom Schicksal und von den richtigen Zahlen, und doch riskierte er nicht einmal ein paar Cents in den Casinos. Er wußte, daß die Bank immer gewinnen würde. Und hinter seiner düsteren Überzeugung, daß dieses System gegen ihn arbeitete, bewahrte er sich den Glauben, daß er sie austricksen konnte; daß er nur sorgfältig auf die Zeichen achten mußte, um zu wissen, wann er ausweichen mußte. Dann würde er verschont bleiben. Es war ein Fatalismus mit einem Schlupfloch. Das Rennen machen nicht die Schnellen, und die Schlacht gewinnen nicht die Starken, sondern diejenigen, die rechtzeitig zur Seite springen.
Mit diesen Gedanken im Hinterkopf ging ich also an jenem Abend zu Sanderson, in der Absicht, mit einem gewaltigen Satz aus dem Sumpf drohender Arbeitslosigkeit auf den grünen Zweig fetter Aufträge zu springen. Es war der einzige Zweig im Umkreis von tausend Meilen, den ich sehen konnte, und wenn ich ihn verpaßte, bedeutete das, daß es lange dauern würde, wieder Fuß zu fassen.
Er begrüßte mich mit einem Fünfzig-Dollar-Scheck, was ich als gutes Vorzeichen deutete. »Für deinen Artikel«, erklärte er. »Komm mit raus auf die Veranda, laß uns was trinken.«
»Trinken – meine Fresse«, sagte ich. »Ich bin eigentlich auf der Suche nach einer Arbeitslosenversicherung.«
Er lachte. »Das hätte ich mir denken können – besonders nach dem heutigen Tag.«
Wir machten in der Küche halt, um Eis zu holen. »Natürlich hast du gewußt, daß Segarra kündigen würde.«
»Natürlich«, antwortete er.
»Himmel«, murmelte ich. »Sag mal, Hal – was hält die Zukunft für mich bereit? Werde ich reich, oder gehe ich vor die Hunde?«
Er lachte und ging Richtung Veranda, wo ich noch andere Stimmen hörte. »Mach dir keine Sorgen«, sagte er über seine Schulter hinweg. »Komm raus, da ist es schön kühl.«
Mir war überhaupt nicht danach, mich auf einen Haufen neuer Leute einzulassen, aber ich ging trotzdem mit hinaus. Sie waren alle jung und kamen gerade von irgendwelchen aufregenden Orten, und sie waren sehr, sehr interessiert an Puerto Rico und den Möglichkeiten hier. Ich kam mir erfolgreich und au courant vor. Nach den Aufregungen der letzten Tage fühlte es sich gut an, wieder hier zu sein.
17
AM NÄCHSTEN MORGEN weckte mich ein Klopfen an der Tür, ein leises und doch dringliches Klopfen. Mach nicht auf, dachte ich, du bist einfach nicht da. Ich setzte mich im Bett auf und starrte eine Minute lang die Tür an. Ich stöhnte, vergrub das Gesicht in den Händen und wäre überall auf der Welt lieber gewesen als hier. Dann
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