Rummelplatz
aber was ist nötig? Vertrauen, heißt es, ist gut. Aber Kontrolle, sagt man, ist besser. Gewiß, dachte Zacharias, ein jeder führt’s im Munde wie einen Spruch aus dem Bauernkalender – aber wie, wenn schon der Ansatz unscharf wäre? Vertrauen, was ist das? Ist Vertrauen denn kontrollierbar? Ein so verschwommener Begriff, mit Kontrolle gepaart, führt er nicht eher zu Mißtrauen? Da mühen sie sich, den permanenten Verdacht der Unzuverlässigkeit zu entkräften, zu beweisen, daß sie des Vertrauens würdig sind, dabei weiß keiner recht, wie Vertrauen zu messen wäre, bei dem hängt’s von einem Stirnrunzeln am falschen Ort ab, bei jenem von mangelnder Übersicht, und wie leicht schlägt’s um in blinde Ergebenheit, man sieht die Partei nicht mehr, sondern nur den Beifall des jeweils höheren Leiters – Vertrauen: kann das nicht immer nur ein Vorschuß sein auf Leistung in exakteren Bereichen? Muß das Vertrauen nicht erweitert und gefestigt werden durch Verantwortung, ehe ein Maßstab überhaupt möglich wird? Verantwortung, das ist überschaubar, begrenzbar, prüfbar. Müßten wir nicht sagen: Vertrauen ist gut, Verantwortung ist mehr?
Ja, dachte Zacharias, die Menschen haben immer nur Angst vor dem Unbegriffenen, ihnen Undurchdringlichen, dem fremden, nicht überschaubaren Mechanismus. Daher |547| das Gefühl, daß über sie entschieden wird irgendwo und unentrinnbar, das Gefühl der Angst und Ohnmacht gegenüber der Zeit, der Politik, dem Staat, jedweder Veränderung und jeglicher unzugänglicher Entscheidung. Aber die Entfremdung, einmal erkannt, ist nicht aus der Welt zu schaffen durch Appelle und Pamphlete, nicht einmal durch Entmachtung der Ausbeuter und Zerschlagung ihres Staates schlechthin, wie sie sich zutrug im Gefolge des verlorenen imperialistischen Krieges – es bedarf eines weiteren Schrittes: der Beteiligung der Massen an der Verantwortung …
Und die Theorie? Besagt: Das Proletariat ergreift die Staatsgewalt und verwandelt die Produktionsmittel zunächst in Staatseigentum. Und dann? Es ergreift schließlich das Proletariat nicht die Staatsgewalt irgendeines Staates, sondern des bürgerlichen, ein anderer ist nicht da. Bedient sich das Proletariat nun also des bürgerlichen Staates für seine anderen Zwecke? Das nun nicht. Vielmehr: es muß – wenn es die Macht nicht wieder verlieren will – den bürgerlichen Staat zerschlagen und sofort mit dem Aufbau eines neuen beginnen. Dieser aber ist die Diktatur des Proletariats, sie ist notwendig, um den Widerstand der gestürzten Bourgeoisie niederzuhalten. Wenn aber das Proletariat die Staatsgewalt nicht irgendeines, sondern des bürgerlichen Staates ergreift, um ihn zu zerschlagen, bedeutet das dann, daß es schlagartig, überall und restlos jegliches Erbe dieses Staates zerschlägt? Nein, es vernichtet die Maschinerie. Es zerschlägt den bürgerlichen Staatsapparat und errichtet im Bündnis mit allen fortschrittlichen Kräften einen neuen, der allmählich jedes Beamtentum überflüssig macht und an die Stelle der Regierung über Personen mehr und mehr die Verwaltung von Sachen und die Leitung von Produktionsprozessen setzt. Allmählich – denn zunächst werden die Menschen ohne Unterordnung und Kontrolle nicht auskommen, auch das ein Erbe des Kapitalismus.
Es erhebt sich aber die Frage: Muß nach der Zerschlagung des bürgerlichen Staates der Widerstand der enteigneten und |548| entmachteten Ausbeuter nicht unvermeidlich zunehmen, die Bourgeoisie sich nicht bis zum Äußersten wehren? Zweifellos. Ist ihr aber andererseits nicht die ökonomische Basis der Macht entzogen, ihr Staat zerschlagen, Polizei, Justiz, Presse, Volksbildung in der Hand des Volkes? Sind ihr nicht die Quellen des Profits genommen, und ist dieser nicht das Reservoir, aus dem sie ihre Mittelsmänner bezahlt? Heißt das nicht, daß sich ihr Widerstand zwar der Form nach verschärft, nicht aber dem Wesen nach, da ja ihr Einfluß ständig weiter zurückgedrängt wird? Freilich, es erfreuen sich die deutschen Imperialisten der Unterstützung des internationalen Imperialismus, überdies können sie ausweichen in den anderen Teil des gespaltenen Landes, wo ihre Macht unangetastet blieb – aber bedeutet das nicht, daß sich der Kampf wesentlich verlagert auf die Ebene der Auseinandersetzung zwischen Staaten, eine ökonomische und politische Auseinandersetzung anderen Charakters, enorm abhängig vom Kräfteverhältnis in der Welt?
Und zweitens: Wie verhält sich das
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