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Rummelplatz

Rummelplatz

Titel: Rummelplatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Bräunig
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Hundemarke geben, darüber wurde es Mittag. Und am Nachmittag ging er wieder zu dieser Margit.
    Als sie öffnete, wußte er, daß er sie irgendwo schon gesehen hatte. Aber Bermsthal war natürlich ein Dorf, nicht wahr. Sie bat ihn herein. Peter Loose, ja. Also einmal im Monat durfte er schreiben, neuerdings aus Zwickau, Strafvollzugsanstalt, Postfach natürlich, und arbeiten darf er neuerdings auch. Darf, ja. Erst sperren sie die Leute ein, dann haben sie keine Arbeitskräfte, da müssen sie halt die Gefangenen auf Arbeit schicken. In den Kohlenschacht. Ja aber, er ist doch untertage-untauglich, das wissen Sie nicht? Wird er denen dort wohl was vorgeschwindelt haben. Nämlich, für |567| zwei Tage Arbeit werden drei Tage Haft angerechnet, sofern die Norm erfüllt wird, wer drängt sich da nicht nach Arbeit? Und so genau nehmen sie es wohl auch nicht. Bei dem Andrang. Naja, heutzutage gibt es doch in jeder besseren Familie einen, der sitzt. Gehört zum guten Ton, nicht wahr. Gott, und den Briefen nach zu schließen, geht es ihm gut. Aber sie werden ja wohl eine Zensur haben, kann man sich denken. Schicken darf man, gewiß. Er schreibt zwar immer, daß er nichts braucht, aber wir schicken trotzdem. Zigaretten, Butter, Eingemachtes und so. Alle geben etwas dazu, das Radieschen, dann dieser Titte Klammergass, neulich hat sogar sein ehemaliger Steiger dem Spieß Zigaretten mitgegeben, die soll er sich mit diesem Bergschicker teilen, hat er ausrichten lassen, mit dem ist er zusammen. Fischer, ja. Seine Tochter arbeitet bei uns an der Maschine. Und das ist schon was von dem Mann, immerhin ist er in der Partei. Sie sind auch da drin? Na, Sie müssen es ja wissen.
    Ein seltsames Mädchen, diese Margit. Wie war sie ausgerechnet an Peter Loose geraten? In allem Unglück hatte er immer noch ein bißchen Glück. Denn wenn man diese Margit so sitzen sah in ihren mit wenig Geld und vielen Einfällen sehr vernünftig eingerichteten vier Wänden, wenn man sie sprechen hörte und die selbstbewußte Art bedachte, in der sie einen begrüßt hatte, dann wußte man schon: das Mädchen war richtig! War sie also einfach hingegangen, mit nichts als einem Brief in der Hand, und hatte sich um Peters Sachen gekümmert, hatte das Motorrad untergestellt und alles getan, was zu tun war, und hatte sich kurzerhand zu seiner Verlobten gemacht; Verlobte eines Mannes, der vier Jahre sitzen muß; und sie war höchstens zweiundzwanzig. Das ist kein Verbrechen, sagte sie ruhig, dafür kann jeder ins Kittchen kommen. Sie wissen ja selber, wie er ist, und daß er kein Verbrecher ist, das wissen Sie doch. Aber er muß da drin wissen, daß seine Freunde ihn nicht verleugnen, und daß hier draußen jemand da ist, wenn er wiederkommt. Denn das kann |568| doch im Ernst keiner glauben, daß das ewig so weitergeht. Bei uns in der Fabrik haben sie jetzt auch eine große Baracke aufgebaut, Stacheldraht davor, da kommen Gefangene hin, die sollen bei uns arbeiten. Gibt doch keine Arbeitskräfte. Das ist doch eine verkehrte Welt, oder nicht? Und in der Papierfabrik Fährbrücke sind schon welche, ich war vergangene Woche dort. Ja, also, wenn Sie ein paar Zeilen mitschreiben wollen, da freut er sich bestimmt.
    So saß er in Margits Zimmer, und auf einmal waren sie ins Reden gekommen, das kam ganz von selbst. Er erzählte, wie er mit Peter angekommen war im Lager Rabenberg und was sie gemeinsam erlebt hatten – sie wollte immer noch mehr hören. Einmal sagte sie: Ich habe schon gewußt, daß das nicht seine richtigen Freunde sind, dieser Klammergass und wie die heißen. Er ist da ganz anders. Ja, sagte Christian, das ist er. In mancher Hinsicht. Und in mancher auch nicht. Aber er ist schon in Ordnung, so wie er ist. Da lächelte sie ein bißchen spöttisch und meinte: Sie reden mindestens wie der große Bruder. Gott, ja, vielleicht. Aber vielleicht, dachte er, hatten wir beide keine richtigen Freunde, er nicht und ich nicht. Kann man aber nicht sagen, das klingt wunder wie seltsam, selbst wenn man’s bloß denkt. Es waren solche romantischen Seelen, wissen Sie. Und sie sagte nun, sie habe übrigens eine Besuchserlaubnis für den Dreiundzwanzigsten. Wenn Sie da noch hier sind, kommen Sie doch mal vorbei. Ja, sagte er, da bin ich noch hier. Da komme ich also ganz bestimmt.
    Dann kam ihre Mutter, schaute nur kurz herein und begrüßte ihn, und müsse auch gleich noch mal weg: Mach doch deinem Besuch eine Tasse Tee. Aber er wollte sie nun nicht mehr aufhalten. Tun Sie

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