Rummelplatz
unerwartet neue, die Erstarrung löste sich, alles schien wieder möglich. Als ob keiner mehr recht an eine Wendung zum Besseren geglaubt, aber doch alle gehofft hätten, sah man nun plötzlich: die Minderzahl derjenigen, die den Umschwung zu fürchten, von der Vernunft nichts zu erwarten hatten. Das sah man in den Gesichtern, im Ton der Gespräche, erkannte es im Unausgesprochenen, in der Freude und im Erschrecken, in jeglicher Mitteilung. Eine Mauer war gefallen, die keinem hier genutzt hatte, allen geschadet, wenige nur, die es noch nicht begriffen.
– Ja aber, es ist zu anonym. Jemand muß doch schuld sein. Und wenn sie nächste Woche wieder Fehler machen, wer badet die aus? Unsereiner, wenn dem was passiert, der geht ins Kittchen. Die geben einfach eine Erklärung ab, und die Sache hat sich.
– Ist doch aber kein Argument Mann. Würden sie doch sonst nicht erst so anfangen.
– Ja aber solln sie denn machen? Wo doch sowieso jeder? Und da wird einer geständig, wenn ihm das Wasser am Halse steht, da rückt er bißchen Wahrheit raus, schmeißt dir ’n Knochen hin, kleine Beruhigungsspritze, weiß doch Bescheid. Lieber Hut verschenkt als Kopp verloren, verstehste? Hat doch unser Spieß auch immer gemacht, wenn die Kacke am Dampfen war, redet der dich auf einmal mit Kamerad an und verteilt Zigaretten, aber sobald die Luft reine war, ging wieder zack-zack aber nur. Kannste aber nicht vergleichen. Haste schon mal Spieß gesehen, der wo Fehler zugibt vor ganze Front, na siehste. Mußte ihnen schon lassen. Ja aber, und die gesessen haben für nischt? Allens wat wahr is, dat is |572| nich recht, as de umspringe mit de Lüte, kann sik ein denkn, wat he will. Gott ja. Aber wirste sagen wolln, wo gehobelt wird, fallen Späne, wirste nu sagen wolln. Is doch wahr. Und die, wo schuld sind, werden sie schon rasiern, wirste sehn. Nee weeste, sone Regierung, die wo so vasacht hat, die gehört wech, gehört die, det sag ick. Mußt du ja wissen. Und wat willste dann für eene? Wieder mit Kapitalisten und so wat, na ich danke. Mußte doch mal büschen nachdenken, Mann, aber nee, laß man machen, det jeht nu allet sein jerejelten Gang, sach ick, Hauptsach, dos alls wiedr ins Lot kimmt, un dos net blus ä Saafnbloos wor. Un wenns dene wing naufs Oberstübl schlägt, dasse net jedn Addelhenner nei de Schtaatsgeschäft fuhrwerkn lossn. Dos sag iich. Man blouß, wenn unsse Teddy dat noch erläwt hätt, vleich, daß dä gor nich hätt erss ssoweit komm loatn, as dat nu is, un ok manch anners nich, wat sso upkaomt, dat segg ik. Ja aber kannste nich so sagen womeglich. Nämlich ist sich Unterschied, damals das, und so Staat heute, mit nix nich und wieder nix, hätt der auch erst lern müssen, nich? Redst du, wie du verstehst. Red sich jeder, wie er versteht, nicht? Aber muß doch einer sein, wo Überblick hat. Und mecht ich nich in Haut stecken von so einem, wo gepiesackt hat kleine Leute für rein nix, wird sich großes Aufwaschen geben, und mecht mancher sich Augen reiben bei Frühstück, wenn er so hört heute. Mecht ich schon wahrhaftig dabei sein, wenn mancher in Zeitung liest heute, mecht ich schon zusehn mal …
Hin über Schlaglöcher, Vibrato der Waldstraße, rabenbergabwärts. Und es waren immer noch die gleichen SIS-Busse, die gleichen Holzverschläge, die gleichen längsgestellten Bänke. Und dann kamen die Meldungen im einzelnen.
Fadenschein, kennt einer Fadenschein? Saß auf einer Gezähekiste, hatte die »Volksstimme«, las vor: Werden die Beschränkungen für die Ausgabe von Lebensmittelkarten aufgehoben. Werden die Preise auf den Stand vom 19. April |573| zurückgeführt. Werden die Zwangsmaßnahmen zur Betreibung von Steuerrückständen und Sozialversicherungsbeiträgen ausgesetzt. Werden den Handwerkern, Einzelhändlern und so weiter auf Antrag ihre Betriebe zurückgegeben. Werden ihnen kurzfristig Kredite gewährt. Werden die Fahrpreisermäßigungen für Arbeiterrückfahrkarten sowie für Schwerbeschädigte, Schüler, Studenten und Lehrlinge wieder eingeführt. Werden die Leistungen der Sozialversicherung und Sozialfürsorge wieder auf den ursprünglichen Stand gebracht. Werden Landwirten, denen auf Grund der Verordnung vom 19. Februar die Bewirtschaftung ihrer Betriebe untersagt wurde, ihre Betriebe zur Bewirtschaftung zurückgegeben. Erhalten geflüchtete Personen, wenn sie zurückkehren, ihr Eigentum zurück. Erhalten sie, wo dies nicht möglich ist, vollwertigen Ersatz. Werden sie wieder in ihre vollen
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