Rune der Knechtschaft
hatte auch eine sehr gute Partie gemacht und sich, nachdem ihr Mann gestorben war, am Hof niedergelassen, wo sie ihre Zeit damit verbrachte, ihr Vermögen zu verwalten und zu intrigieren. Obwohl sie in allen sonstigen politischen oder privaten Bindungen unzuverlässig war, war sie Marikani treu ergeben. Warum? Schwer zu sagen. Vielleicht, weil Marikani eine Frau war. Auf jeden Fall durfte man Vashnis Einfluss nicht vernachlässigen - ebenso wenig, wie man ihre Intelligenz unterschätzen durfte, nur weil sie ohne rechtes Ziel daherzureden schien.
Ja , dachte Arekh erneut, bei Hofe tragen alle Masken …
Da erschien Marikani, in ein leichtes, tiefrotes, goldbesticktes Badekleid gehüllt; ihre langen braunen Haare fielen ihr aufgelöst bis zu den Hüften. So einfach gekleidet war sie eine atemberaubende Schönheit - und das, obwohl andere Frauen am Hof regelmäßigere Züge oder eine üppigere Figur hatten, die vielleicht der derzeitigen Mode eher entsprachen.
Nachdem sie einige Worte an die nächsten Höflinge gerichtet hatte, ließ Marikani ihr Kleid zu Boden gleiten und trat nackt in ein Becken, um mit der Reinigung zu beginnen.
Arekh wandte den Blick ab.
»Ihr solltet Euch in Acht nehmen«, sagte Vashni hinter ihm.
Arekh wandte sich wieder ihr zu und sah, dass Vashni ihn beobachtete; ihre schwarzen Augen funkelten. Jeder Anflug von Leichtigkeit war aus ihrem Gesicht verschwunden.
»Ich höre«, sagte er mit einer Kopfbewegung, die anzeigte, dass er die Veränderung bemerkt hatte.
»Harrakin kennt zahlreiche Meuchelmörder«, erklärte sie mit gesenkter Stimme und wies mit dem Finger auf ein Detail des Mosaiks, um den Anschein zu erwecken, dass sie sich über Kunst unterhielten. »Und dieser Palast hat viele Gänge, die dunkel und verlassen sind. Manchmal verschwinden Leute« - sie schnippte mit den Fingern - »einfach so.«
»Warum sollte Harrakin mir etwas Böses wollen?«
»Ihr wisst um seine Heiratspläne.«
Arekh nickte erneut. Er war erst seit drei Wochen am Hof und hatte doch schon den Eindruck, über alle Gerüchte und Intrigen des Palastes auf dem Laufenden zu sein. Darunter waren einige, um die er lieber nicht gewusst hätte - etwa der Klatsch, der sich auf Marikani und Harrakin bezog. Harrakin war weitaus beliebter als sein Bruder, und die Priester drängten, genau wie Banh, Marikani seit Jahren, ihn zu heiraten. Der Plan war kein Geheimnis, und der Hof scherzte oft darüber. Man wusste nicht, ob die beiden Verwandten je darüber gesprochen hatten, und niemand kannte Harrakins letztes Wort in der Angelegenheit. Er schwankte anscheinend dazwischen, für seinen Bruder oder für seine mögliche Verlobte Partei zu ergreifen, und obwohl er bei dem Prozess offiziell Halios unterstützte, erwies er Marikani allen schuldigen Respekt.
Mit einem Wort: Er war unentschlossen.
Marikani schritt anmutig durchs Bad. Sie tauchte ihre langen Haare ins Wasser und schüttelte dann lachend den Kopf, bevor sie sich mit den Armen auf den Beckenrand stützte und ein Gespräch mit einem Höfling begann, der sich gebückt hatte, um mit ihr zu reden.
»Nun?«, fragte Arekh und sah Vashni wieder an.
Die Hofdame seufzte. »Für einen Mann Eures Rufs erweist Ihr Euch als recht naiv, Eheri Arekh. Ihr seid wochenlang mit Marikani auf Reisen gewesen, und das in einer Nähe, die … durch die Umstände erzwungen war. Ihr seid ein Mann von äußerst zweifelhaftem Ruf - und nun nimmt Euch Marikani gleich bei Eurer Ankunft am Hof als Ratgeber und Leibwächter an. Ihr weicht ihr nicht von der Seite. Was glaubt Ihr, was die Leute da denken?«
Arekh starrte sie mit offenem Mund an. Vashni hatte recht; er war naiv. »Oh. Ich verstehe«, sagte er schließlich.
»Bemüht Euch nicht erst, den Ruf der Dame zu verteidigen, ich weiß, dass Ihr sie nicht angerührt habt. Das merkt man an der Art, wie Ihr sie anseht … Und das ist eine weitere Gefahr«, fügte Vashni mit einem seltsamen Unterton hinzu, während Marikani aus dem Becken stieg und das Wasser von ihrer braunen Haut abperlte. »Seid vorsichtig - auch in der Hinsicht. Andere haben sich schon die Flügel verbrannt.«
Marikani zog sich zurück, um sich wieder anzukleiden, und ließ Arekh zuvor noch wissen, dass sie sich danach in den Festsaal begeben würde, in dem der große Ball des Abends stattfinden sollte. Sie hatten keine Abmachung getroffen, und doch hatte Arekh, wie Vashni erwähnt hatte, nach und nach die Rolle des Leibwächters neben der des Ratgebers
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