Rune der Knechtschaft
zeichnete. Generationen von Herrschern waren in diesem Palast aufeinandergefolgt; jeder hatte versucht, eine Spur zu hinterlassen, indem er ein neues Gebäude, einen neuen Tempel, einen neuen Palastflügel, neue Weinkeller oder Waffenkammern hatte anlegen lassen. Der Palast wäre ein wahrer Albtraum für jeden gewesen, der die wahnsinnige Idee gehabt hätte, Ordnung hineinbringen zu wollen.
Arekh war so in Gedanken gewesen, dass der Bote einen Vorsprung gewonnen hatte; die Schritte des jungen Mannes entfernten sich und hallten seltsam in dem verlassenen Korridor wider.
Verlassen .
Arekh erstarrte und hielt den Atem an; ein eisiger Schauer lief ihm über den Rücken.
Wie töricht er doch war! Vashni hatte recht: Er war einfach naiv. Früher hätte er sich nie so leicht in die Falle locken lassen - besonders, da er vor weniger als zwei Stunden in Worten, die keinen Raum für Zweifel ließen, gewarnt worden war.
Vashni hatte ihm gesagt , was geschehen würde. Sie hatte es ihm Wort für Wort erklärt. Ihr Spionagenetz musste ziemlich gut funktionieren, wenn sie Wind von dem, was sich abzeichnete, bekommen hatte, und da sie wohl glaubte, er sei für Marikani unentbehrlich, hatte sie ihn gewarnt.
Und er, Tor, der er war …
Er war es nicht wert zu leben.
Aber er hatte dennoch Lust darauf, und trotz des Entsetzens, das seine Glieder lähmte, versuchte er nachzudenken. Wie hätte er jemanden unter diesen Umständen ermorden lassen?
Der Bote hatte das Ende des Ganges erreicht und drehte sich um. Er sah Arekh reglos dastehen, weit hinter sich, und sagte kein Wort. Ihre Blicke begegneten sich, der Bote wandte die Augen ab und ging weiter, beschleunigte seine Schritte unmerklich, hastete auf die Tür zu.
Arekhs Herz pochte. Sollte er umkehren? Nein. Wenn er Männer hergeschickt hätte, um jemanden zu töten, hätte er sie an beiden Enden des Korridors postiert.
Er musste sich nicht erst umdrehen, um zu wissen, dass er nicht allein war. Hinter ihm oder in einem der Zimmer, an denen sie vorbeigekommen waren, befanden sich Meuchelmörder. Vielleicht schlichen sie bereits lautlos im Korridor näher. Und vor ihm waren auch welche, die sicher abwarteten, bis der »Bote« hinaus war, um dann einzugreifen.
Kein Bogen, keine Armbrust an solch einem beengten Ort. Sie würden ihn mit dem Messer töten, wie jeder zivilisierte Meuchelmörder es tun sollte.
Arekh machte einen Schritt vorwärts. In jedem Raum standen Bänke, wo Kläger darauf warten konnten, vorgelassen zu werden, aber die Füße der Bänke waren im Boden
verankert - die Götter wussten, warum. Die Fenster waren mit Holzgittern versehen, die Scheiben waren klein, und die Holzsprossen würden einem einzigen Fausthieb nicht nachgeben.
Ein wenig weiter entfernt stand zwischen zwei Bänken ein Sessel. Arekh machte noch einen Schritt, dann noch einen, und war sich bewusst, dass jede verlorene Sekunde sein Ende bedeuten konnte. Aber er durfte sich seine Furcht nicht anmerken lassen, um den Verlauf des Geschehens nicht zu beschleunigen.
Dem Sessel fehlte ein Bein; er war in unsicherem Gleichgewicht an die Wand gelehnt. Eine hohe, dunkle, mit schön gearbeiteten Schnitzereien verzierte Holzlehne …
Etwas knackte hinter ihm, und Arekh begann zu laufen, so schnell ihn seine Beine trugen, ohne sich umzudrehen. Das Blut rauschte ihm in den Ohren und hinderte ihn, zu hören, ob er verfolgt wurde. Er erreichte den Sessel, hob ihn hoch und zerschmetterte, indem er alle Muskeln anspannte, das nächstgelegene Fenster, bevor er das Möbelstück fallen ließ und kopfüber ins Freie sprang.
Er rollte sich ab, um seinen Sturz abzufangen, und fand sich auf dem Pflaster eines kleinen Hofs wieder. Sein Herz setzte einen Moment lang aus. Abgeschlossen. Der Hof war in sich abgeschlossen.
Er hörte nichts hinter sich, und einige Sekunden lang schoss ihm der Gedanke durch den Kopf, dass er sich alles vielleicht nur eingebildet hatte … dass er sich gerade völlig lächerlich gemacht hatte und dass sich am Ende des Korridors der junge Bote fragte, was wohl in ihn gefahren war.
Nein. Da war jemand gewesen, das hatte sein Instinkt ihm zugeschrien. Er sah sich erneut um. Es gab keinen erkennbaren Ausgang: Alle Gebäude waren dunkel und verlassen, die Türen sicher verriegelt. Er eilte über den Hof
auf eine Säulenreihe zu. Trotz der Dunkelheit hatte er dort einen Gang erspäht, der durch einen Torbogen ins Innere des Gebäudes führte.
Er rannte …
… und plötzlich kamen sie über
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