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Rune der Knechtschaft

Titel: Rune der Knechtschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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drückte sie zärtlich, und plötzlich lagen die beiden Frauen einander in den Armen. Sie umschlangen sich nur einen kurzen Moment lang, aber es geschah mit echter, tiefer Zuneigung. Arekh musste das Gesicht abwenden, da er spürte, wie etwas ihm zur Gewissheit wurde.
    Wie lange schon hatte er keinen Freund mehr gehabt, keine Gefährtin, niemanden, dem gegenüber er sich so gehen lassen konnte - mit solcher Aufrichtigkeit und Begeisterung?
    Schon seit Jahren nicht mehr. Seit seiner Kindheit nicht mehr. Seit … nie. Das ist mir noch nie so gegangen . Er packte Marikani gewaltsam am Arm, riss sie von Lionor fort und stieß sie auf die Treppe zu.
    »Los, geht!«, rief er, und sie eilten die Stufen im Laufschritt hinab, einer nach dem anderen, Arekh als Letzter.

    Als er seinen Abstieg begann, glaubte er, ein Bellen zu hören, aber die Vorstellung war zu fürchterlich, als dass er länger darüber hätte nachdenken wollen. Er beschloss, dass es nur das Blut war, das er in seinen Ohren pochen hörte. Seine Füße trommelten auf den Stein, und das schwache Tageslicht verschwand vollends, als senke sich eine dunkle Decke über sie.
    Hinter der nächsten Biegung der Wendeltreppe sah Arekh nichts mehr. Er legte die Hand auf die innere Wand und hörte, dass die anderen vor ihm das Gleiche taten. Sie waren langsamer geworden; ihre Kleider strichen über den Stein.
    »Geht!«, wiederholte er, und Lionor beschleunigte an der Spitze der Gruppe ihre Schritte.
    »Man sieht hier nichts«, protestierte sie. »Achtung!«
    Sie hatte wohl fast das Gleichgewicht verloren; Arekh hörte einen unterdrückten Fluch von ihr. Er tastete sich vorsichtig weiter voran. Drei Stufen später war die Treppe zu Ende.
    Sie waren in einem schwarzen Ozean verloren. Es war eine greifbare Schwärze, beinahe gegenständlich, die ihnen die Augen verklebte und ihre Bewegungen träge machte. Kein Geräusch. Sie waren stehen geblieben.
    Arekh hörte Marikanis keuchende Atemzüge neben sich.
    »Hier ist es ja wie in den Abgründen!«, jammerte der Junge.
    Als Marikani die Stimme hob, zuckte Arekh beinahe zusammen. »Fassen wir uns an den Händen!«
    Gemeinsam schlichen sie auf Zehenspitzen voran und tasteten sich langsam wie ein Insekt durch die Dunkelheit. Sie hatten einen fürchterlichen Fehler begangen. Vielleicht war das hier eine Sackgasse, in der sie in die Enge getrieben werden würden …

    »Die Luft wird feuchter«, sagte Lionor.
    Sie hatte recht. Die Luft war schwer vor Wasser, wie in einer natürlichen Höhle. Sie roch nach Moos, Flechten und Feuchtigkeit.
    Plötzlich geschahen zwei Dinge gleichzeitig. Arekh sah zur Rechten ein Licht - gelbrot und flackernd -, und Gebell ertönte auf der Treppe hinter ihnen.
    Die Hunde hatten sie gefunden. Binnen weniger Sekunden hatte sich alles geändert: Die Gefahr war nicht mehr fern, sie war da. Nur einige Sekunden trennten sie jetzt noch vom Tod.
    Mîn schrie, und sie hasteten mit bis zum Zerspringen klopfenden Herzen auf das Licht zu. Links von ihnen öffnete sich plötzlich ein großer, gewölbter Raum - ein Korridor aus runden, moosigen Steinen. Eine brennende Fackel steckte an der Wand.
    Eine Fackel ? Die jemand angezündet hatte?
    Das Gebell hallte laut hinter ihnen wider, als sie die Stelle erreichten, an der der Gang in eine langgestreckte, natürliche Höhle überging. Der Boden fiel leicht ab, und die Flüchtlinge folgten dem Gefälle; Fackeln, die in regelmäßigen Abständen an der Wand angebracht waren, erhellten ihren Weg. Brunnen öffneten sich im Boden; tief unten funkelte Wasser … Wasser, ja. Aber, oh, wie nutzlos!
    Jenseits der Wand dröhnte ein dumpfes, regelmäßiges Geräusch wie ferner Donner.
    Die Hunde erreichten die Höhle weniger als eine Minute nach ihnen. Arekh sah sich um und bereute es sofort. Ihre menschlichen Verfolger waren doch zu dritt - drei Männer, die sich, umgeben von ihrer dämonischen, heulenden Hundemeute, verlangsamt zu bewegen schienen.
    Ein kleiner, natürlicher Gang zur Linken … eine Höhle …

    Und da waren sie: ein ganzer Stamm, etwa dreißig Personen, Männer, Frauen, Kinder und Greise, die ein behelfsmäßiges Lager aufgeschlagen hatten, das von Fackeln erleuchtet wurde. Keine Berebeï … Männer des Nordens, in Pelze gekleidete Barbaren mit sehr langen Haaren. Die Krieger waren, die Waffe in der Hand, aufgesprungen, sicher, weil sie das Gebell gehört hatten, aber die anderen saßen noch auf dem Boden; die Frauen wuschen sich die Füße im Fluss.
    Im

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