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Rune der Knechtschaft

Titel: Rune der Knechtschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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vielen Feinden, die sie hat, wird irgendwer das schon vor mir tun, meint Ihr nicht?«, knurrte Arekh erbost. »Außerdem bringen in Geschichten immer Hofdamen ihre Herrinnen um - aus Eifersucht«, fügte er hinzu, während er sich neben Marikani hinkniete und sie sacht umdrehte.
    Sie atmete. Sicher war sie im Wasser auf irgendetwas geprallt, denn ihr Gesicht war blutverschmiert, aber sie lebte, und die Verletzung wirkte ungefährlich.
    Arekh stand auf, drehte sich um und nahm die Höhle in Augenschein. Das Wasser des Flusses quoll aus einer breiten Felsspalte in der Höhlenwand hervor und stürzte auf den Boden, bevor es sich in dessen Rissen wieder verlor; man hörte es unter ihren Füßen tosen, sicherlich in einem weiteren unterirdischen Saal.
    Wenigstens war die Schwierigkeit mit den Hunden erledigt. Kein Tier konnte ihnen hier hinein folgen.
    Das Wasser hatte sie auf eisigen Armen in sein Königreich getragen und sie abgelegt - die Götter allein wussten, wo. Irgendwo tief im Herzen der Erde …
    Ein Kinderlied kam Arekh in den Sinn:
    Im Herzen der Erde, im endlosen Reich,
da hausen im Dunkeln die Geister so bleich,
doch reicht die Vernunft auch der Wahrheit die Hand
wo Eisnymphen tanzen im Wassergewand …
    Er drehte sich zu Lionor um. »Wo ist der Beutel mit dem Proviant?«
    Lionor machte eine vage Bewegung. Sie hatte ihn wohl
in der Strömung verloren, und trotz seiner Wut musste Arekh zugeben, dass er ihr das schwerlich zum Vorwurf machen konnte.
    Sie hatten zuletzt am Morgen gegessen, und für den Augenblick fehlte es ihnen nicht an Wasser. Aber spätestens in zwei Tagen, wenn nicht gar früher, würden sie schwächer zu werden beginnen.
    Sie mussten weiter, und zwar schnell.
    Arekh kniete sich wieder neben Marikani, legte ihr die Hand auf die Schulter und schüttelte sie sacht. Die junge Frau schlug die Augen auf, und Arekh sah beiseite, um ihrem Blick nicht begegnen zu müssen.
    Lionor kam näher. Ihre Augen waren nicht mehr so glasig, und sie schien wieder bei Sinnen zu sein. »Also sind wir am Leben …«, flüsterte sie.
    Sie machte einige Schritte durch die Höhle und erstarrte dann. Arekh folgte ihrem Blick. Ein lachender Löwenkopf war etwas weiter zur Linken in den Fels gemeißelt.
    Marikani hatte sich aufgesetzt. Nach einer Weile stand sie auf, beugte sich über Mîn und legte ihm die Hand auf die Stirn. »Sein Fieber ist gesunken«, verkündete sie.
    »Kein Wunder«, murmelte Arekh. »Das Wasser war ja kalt genug! Das heißt noch nicht, dass die Entzündung heilt.«
    Marikani ignorierte ihn und rüttelte Mîn. »Wir müssen weiterwandern«, sagte sie sanft, als der Jugendliche aufwachte. »Einverstanden, Mîn? Ich weiß, dass es dir nicht gut geht, aber wir müssen weiter, um Mahhm zu finden und dich zu heilen. In Ordnung?«
    Mîn starrte Marikani an. »Die Löwen …«, sagte er. »Ich habe von Löwen geträumt. Ihr wart ein Löwe. Ein blauer Löwe. Ihr seid über eine Ebene geschritten, und alle anderen … alle anderen folgten Euch.«

    Lionor lachte leise, und Arekh zuckte mit den Schultern. »Genug geträumt«, verkündete er, packte Mîn am Arm und zwang ihn, auf die Beine zu kommen. »Los. Wir müssen weg von hier.«
    Aber der Junge sah weiter Marikani an; ein seltsames Leuchten lag in seinem Blick. »Ein blauer Löwe. Ihr seid ein Löwe. Wie die aus Stein. Ihr erinnert Euch doch daran, oder?«, hakte er mit verwirrtem Blick nach. »Ihr erinnert Euch, ja? Wir müssen daran denken … Wir müssen den Löwen folgen …«
    Marikani klopfte ihm sacht auf den Rücken. »Ich werde daran denken, Mîn. Aber jetzt müssen wir weiterwandern, einverstanden?«
    »Die Löwen«, wiederholte Mîn.
    »Die Löwen«, bestätigte Marikani. »Ja. Ich werde an sie denken.«
    »Versprecht mir das«, sagte Mîn. »Versprecht es mir! Versprecht mir, dass Ihr an die Löwen denken werdet. Um meinetwillen. Zum Gedenken an mich.«
    »Ich verspreche es«, sagte Marikani, während Arekh langsam Ungeduld in sich aufsteigen fühlte.
    »Es tut mir ja sehr leid, Euch unterbrechen zu müssen«, sagte er in scharfem Tonfall, »aber wie wäre es, wenn wir in die Wirklichkeit zurückkehren würden? Nur für einen kurzen Augenblick? Ich schildere Euch die Lage: Die Hunde haben unsere Fährte verloren, aber wir haben keinen Proviant mehr. Wir haben keine Feldflaschen mehr für das Wasser, und es ist kalt. Sehr kalt. Wir haben keine Ahnung, wo genau wir uns befinden, und wissen auch nicht, in welche Richtung wir müssen. Einer

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