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Rune

Rune

Titel: Rune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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hatte, wurde ich plötzlich ziemlich skeptisch. Fast. Phil erkannte das sicher, als er mich mit rotgeäderten Augen ansah.
    »Schwöre mir etwas, Phil. Wenn du spürst, daß irgend etwas Merkwürdiges passiert, oder wenn ich dir Bescheid gebe, daß alles schiefgeht – dann verlaß die Stadt. Denn wenn es Olaf in den Kram paßt, wird er dich gegen mich benutzen. Da bin ich mir sicher. Also verlaß einfach die Stadt und sieh nicht zurück.«
    Er sah aus, als würde er gleich wieder heulen. »Willst du das wirklich?«
    »Nein«, sagte ich und holte tief Luft. »Aber es geht nicht anders.«

39.
     
    Jenes Erntedankfest muß wohl als der am wenigsten freudig erwartete Feiertag in meine persönliche Geschichte eingehen.
    Ich aß ein leichtes Frühstück in der Küche, die warm vom Sonnenlicht und dem Duft eines bratenden Truthahns war. Mom stand an der Anrichte und zerfetzte altbackenes Brot für die Füllung. Das Fernsehen plärrte aus dem Wohnzimmer: Dad schaltete durch alle Kanäle und fand nur Paraden, blieb aber erbittert auf der Suche nach dem wahren Geist von Erntedank – Football. Er sah dabei fast aus wie Lon Chaney Jr., wenn der Vollmond an die Arbeit ging.
    Die Verwandtschaft kam gegen elf an, in zwei Wagenladungen, die gemeinsam aus Effingham, eine gute Stunde nördlich gelegen, kamen. Großmutter Iris war die einzig verbliebene Verwandte Dads, der Rest war Moms Familie. Großtante Molly führte die Meute an, roch nach Parfum und wabbelte an den Oberarmen immer noch mit dem, was sie beharrlich Babyspeck nannte. Großmutter Iris kam als nächste, und ich muß zugeben, daß sich bei ihrem Anblick mein Herz erwärmte. Als nächstes dann der berüchtigte Onkel James, Moms älterer Bruder, mit seiner Frau Vicky und ihren vierzehnjährigen Zwillingen Robbie und Robin (sie sahen sich wirklich ziemlich ähnlich, doch in Wahrheit stand nur ihr das gut zu Gesicht). Moms jüngere Schwester Paula, die seit zwei Jahren geschieden war, folgte mit ihrer Brut, zwei Jungen und einem Mädchen, alle unter zehn.
    Sofort hatte ich Mom im Verdacht, daß sie ihnen schon einen Wink über die Ereignisse von gestern morgen gegeben hatte. Mitleid ergoß sich über mich wie eine Ölquelle, ohne daß ich auch nur ein Wort gesagt hätte.
    »DU ARMER SCHATZ!« Tante Molly riß mich mit ihren breiten Armen an ihren noch breiteren Busen. Sie traf mich mit einem nassen, schmatzenden Kuß, der gefährlich nahe an meinem eigenen Mund niederging, und es fühlte sich so an, als zertrete man barfuß eine Schnecke. »Vergiß all das einfach für den Rest des Tages!«
    Sie wirbelte mich herum, und so erdrückt, wie ich von ihrer Masse war, hatte ich keine andere Wahl, als mich wirbeln zu lassen. Über ihrer massigen Schulter sah ich, wie Aaron versuchte, nicht über meine Qual zu lachen.
    Ich kam gerade frei, als Onkel James auf mich zukam, um mir die Hand zu drücken. Er war ein Vertreter für Düngemittel, und sein Griff war fest, sicher und trocken. Er schenkte mir sein bezauberndes Plastiklächeln mit seinen bezaubernden falschen Zähnen, und der Strom von Sonnenlicht durch die Verandatür formte einen Heiligenschein um seinen beginnenden Kahlkopf. Ich war immer noch nicht davon überzeugt, daß dieser Mann mit Mom und Tante Paula verwandt war. Sicher hatte man ihn vor vielen Jahren in einer dunklen und schicksalhaften Nacht auf ihrer Schwelle ausgesetzt, und er war durch die Tür gewieselt, bevor die anderen wußten, wie ihnen geschah.
    »Also haben wir jetzt einen Helden in der Familie, was? Jawoll, Sir! Wir sind alle mächtig stolz auf dich, Chris, mächtig stolz!«
    Tante Vicky berührte ihn am Arm. »Na, na, James, vielleicht will er nicht darüber reden.« Zwei Punkte für Tante Vicky. Ihre Augen waren vorwurfsvoll und ähnelten vage denen eines Pandas, wegen des übertriebenen Lidschattens.
    »Aber ich bitte dich, Ehre, wem Ehre -«
    Er kam nie dazu, den Satz zu beenden, und ich werde Mom ewig dankbar dafür sein, an dieser Stelle eingegriffen zu haben. Nachdem sie Robbie umarmt hatte, wandte sie sich Robin zu und verkündete nur eine Spur lauter als nötig: »Robin, was für ein prächtiges Mädchen du doch geworden bist!«
    Genau das hatte James gebraucht. »Das kannst du aber laut sagen!« Dann ließ er meine Hand fallen, um seine Tochter mit einem Arm an sich zu reißen. »Ich muß noch eigens eine Telefonleitung oder zwei legen lassen für all die Jungs, die anrufen. Daddys kleines Mädchen wird furchtbar schnell erwachsen …«
    Er

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