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Rune

Rune

Titel: Rune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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einer Weile, »es ist wie in einem dieser alten Western.« Er spielte mit seiner Gürtelschnalle. »Als wären wir John Wayne und Dean Martin in Rio Bravo, wie sie darauf warten, daß die Bösen das Gefängnis stürmen.« Er grinste. »Ich bin John Wayne.«
    »Na toll. Und ich bin Dean Martin. Besorg mir ’nen Drink.«
    »Sei froh, daß ich nicht Walter Brennan aus dir gemacht habe.«
    Ich lächelte, und das zum ersten Mal seit Stunden aufrichtig.
    Wir verstummten wieder und lauschten dem Knistern des Feuers, bis die wachsenden Schatten draußen zu einem einzigen verschmolzen waren.
    Nacht. Die Finsternis war angekommen.
    Und bald sollten sich die Pforten von Wallhöll weit öffnen.

42.
     
    Zwanzig Minuten vor sieben. Wir hatten schon lange die Vorhänge geschlossen. Aaron hatte ein Kartenspiel entdeckt, und wir spielten Poker um ein imaginäres Vermögen. Ich hatte wohl schon dreieinhalb Millionen angehäuft, als wir beide zur gleichen Zeit des Spieles müde wurden. Der Reiz des Neuen war fort. Die Tatsache, daß unsere Einsätze so lächerlich hoch waren, weil wir nichts zu verlieren hatten, verblich im Vergleich mit jener, daß wir im wahren Leben in dieser Nacht alles aufs Spiel setzten. Aaron steckte die Karten weg, und wieder einmal saßen wir einfach nur da.
    Wann würde alles enden? Es mußte bald geschehen, sehr bald, denn ich fühlte, wie die Luft um uns schwerer wurde, wie die Atmosphäre vor einem Gewitter. Ich glaube, auch Aaron merkte es.
    »Bereust du irgend etwas?« fragte er mich.
    Ich hatte ihn deutlich gehört, mußte es aber noch einmal hören. Wegen der Erschütterung. Eine solche Frage stellt man, wenn man weiß, daß ein unausweichlicher Wandel bevorsteht, nach dem nichts mehr sein wird wie zuvor. »Wie?«
    »Bereust du etwas?«
    »Meine Güte, sprich doch nicht von so was. Das klingt so verdammt endgültig.«
    Aaron nickte. Und in jenem Moment, so glaube ich, übertrafen seine inneren Reserven die meinen. Nachdem all die Tränen und die Schreie aus dem Weg waren, hatte er anscheinend eine tiefe Quelle verborgener Kraft entdeckt. »Ich weiß. Aber ich muß darüber sprechen. Weißt du … nur für den Fall, daß …«
    Ich starrte einfach nur. Ich war wie ein Stück Tuch, und jedesmal, wenn er so etwas sagte, wrang er mich aus.
    »Komm schon, wir wechseln uns ab«, sagte er. »Du bist als erster an der Reihe.«
    »Wie du willst«, sagte ich rauh. Ich holte tief Luft und dachte nach. Ging mein geistiges Verzeichnis durch, suchte nach dem Stichwort ›Bereuen‹. Dann fand ich etwas.
    »Erinnerst du dich an diese Journalistin, Shelly Potter? Ich fange gerade an, etwas für sie zu empfinden. Mehr als nur Freundschaft. Ich weiß nicht, ob sie das je erwidern könnte, aber ich bin ihr nicht ganz gleichgültig, soviel weiß ich. Aber ich hatte bislang nicht die Nerven, etwas zu ihr zu sagen. Es war, als würde … als würde der Altersunterschied mich davon abhalten, oder so etwas.« Ich zuckte mit den Schultern. »Ich glaube, das war’s. Was anderes fällt mir im Moment zumindest nicht ein.«
    Aaron nickte langsam und dachte darüber nach. Er schien mich sehr gut zu verstehen. Und dann: »Ich glaube, ich bereue, nicht immer so offen von meinen Gefühlen gesprochen zu haben, wie ich gekonnt hätte. Es gibt eine Menge, was ich Mom und Dad gerne gesagt hätte. Nun, manche Sachen hätte ich ihnen lieber nicht gesagt, aber die meisten doch.« Er sah mir geradewegs in die Augen. »Und das gilt auch für dich.«
    Er wrang mich noch mehr aus. »Nicht jetzt, Aaron, bitte. Ich glaube nicht, daß ich jetzt damit umgehen kann.«
    »Nein, vermutlich nicht.«
    Und dann umarmten wir uns, zögerlich und unbeholfen. Fest. Lange. Herzlich. Als wir losließen, entschieden wir, daß wir hungrig waren, weil keiner von uns seit dem Frühstück etwas gegessen hatte.
    Ich fing an, mich durch die Überreste von Erntedank zu wühlen, die ihre eigene Tupperware-Party feierten, und roch schwach einen säuerlichen Geruch. Es passiert so oft – man öffnet die Tür des Kühlschrankes und bemerkt blitzartig diesen Geruch, den man auf nichts zurückführen kann, weil er von etwas stammt, das noch gar nicht verdorben ist. Es ist mehr ein Vorbote dessen, was geschieht, wenn man sich nicht beeilt.
    Rasch schloß ich die Tür. Denn jener Geruch hatte eine Reihe von gedanklichen Dominosteinen umgestoßen. Und am Ende stand ein Gedanke, so offensichtlich, daß ich nicht begriff, wie ich ihn hatte übersehen können:
    Als

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