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Rune

Rune

Titel: Rune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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Hürdenspringer gestorben war, hatte ich angenommen, daß er das nächste Mal in Gestalt eines anderen hinter Aaron und mir her sein würde. Das hatte wohl auch Aaron gedacht, wenn man bedenkt, wie hysterisch er auf Maurice im Steak-Haus reagiert hatte. Aber all das war nur eine List gewesen, für die Olaf Hürdenspringer willentlich geopfert hatte, weil er ein unendlich heimtückischer Gegner war. Er hatte sich auf die größte Konfrontation vorbereitet, während er unsere Gedanken in eine Richtung lenkte und selbst in eine andere plante.
    Etwas, das Crighton gegen Ende unseres Gespräches gesagt hatte, fiel mir jetzt wieder ein. »Wenn man das gesellschaftliche Klima des damaligen Islands in Betracht zieht«, hatte er gesagt, »waren Olaf der Schwarze und Thorfinn Schneebart durch eine spirituelle Brüderschaft verbunden, die ebenso tief war wie eine Blutsverwandtschaft.«
    Bruder gegen Bruder.
    Während dieses Tages des unterdrückten Ekels hatte ich mich nie so elend gefühlt. Denn nun wußte ich, daß man uns nicht von außen, sondern aus dem Innern angreifen würde. Die Hinweise reichten Monate zurück: Dads Vision vor seinem Infarkt, Aarons starke Reaktion auf Tri-Lakes, als ich ihn das erste Mal dorthin gebracht hatte, und die verschiedenen Kämpfe, die wir ausgestanden hatten und die so gar nicht zu dem passen wollten, wie wir sonst unsere Konflikte gelöst hatten.
    Bruder gegen Bruder.
    Aaron gab unten einen schrillen Schrei der Überraschung von sich.

43.
     
    Ich hörte. Ich wußte. Ich begriff. Und hatte keine Ahnung, was ich tun sollte.
    »Aaron?« rief ich aus der Küche.
    Eine Bewegung unten, schwach, vielleicht nicht mehr als eine Verlagerung von Gewicht. In dem stillen Haus hörte sich das ungeheuerlich an.
    »AARON!«
    Nichts. Und zu diesem Zeitpunkt verließen mich wohl alle logischen Gedanken, und ich handelte nur noch instinktiv. Ein Stelldichein mit dem Schicksal. Ich ging zur Treppe, die nach unten führte, und bemerkte dann den Gestank, der von unten heraufdrang. Es war, als hätte man einen Klumpen Fleisch den ganzen Tag in der warmen Sommersonne brutzeln lassen.
    Die Stufen – die oberste, dann die nächste, wieder die nächste – gewährten mir mit jedem Schritt etwas mehr Einblick ins Wohnzimmer. Ich sah Sessel, Tische, das Ende des Sofas …
    Zur Hälfte unten … kein Aaron in Sicht …
    Drei Viertel …
    Ich sah noch nicht einmal, wo er herkam. Ich hörte nur ein leichtes Zischen, als etwas durch die Luft geschwungen wurde und auf mein rechtes Knie traf. Aaron brüllte im Triumph, als ich den Rest der Treppe hinabstolperte, um an der Wand aufzuprallen. Ich versuchte, mit der linken Hand den Sturz zu verhindern, und für einen qualvollen Moment wurde sie so weit nach hinten gedrückt, daß ich spürte, wie meine Fingernägel den Unterarm berührten. Der Schmerz war gewaltig und strahlend, heller als eine explodierende Sonne. Ich drückte meinen Arm gegen die Brust, nutzlos, und ging auf die Knie.
    Aaron war zu meiner Rechten, ein lauernder Schatten, der einen rechteckigen Kaffeetisch aus dem Weg schleuderte. Eine gelbe Vase zerbrach am Kaminsims, die letzten sechs Monate von Psychology Today ergossen sich über den Boden. Aaron schwang etwas über seinem Kopf, etwas dünnes, das einen Sporn an seiner Spitze hatte – den Schürhaken vom Kamin. Er kam näher und holte aus.
    Ich rollte mich ab, in Richtung Treppe. Als er nahe genug war und gerade zuschlagen wollte, stieß ich mit aller Kraft meinen Fuß in seinen Bauch. Sein Atem strömte in einer fauligen Wolke aus. Er stolperte rückwärts, um über einen Sessel zu fallen. Der Schürhaken landete krachend auf einem Regal und zerschmetterte den Glasrahmen eines Familienfotos.
    Er stand auf und rannte, und ich stürzte nach rechts, die linke Hand noch immer gegen die Rippen gepreßt. Mit meiner Rechten griff ich mir ein Bein des zerbrochenen Kaffeetisches und warf ihm den zwischen die Füße. Er schrie wie ein Tier, als er nach hinten fiel.
    Das gab mir genug Zeit aufzustehen. Einen Moment später stand auch Aaron wieder. Zum ersten Mal sah ich deutlich sein Gesicht, und ich wünschte, ich hätte es nicht gesehen. Es gab keinen Aaron mehr. Er konnte nicht länger nach Gedanken oder Gefühlen handeln, nicht mit diesem Gesicht, sondern einzig auf Impulse. Seine Augen betrachteten mich listig. Wie die Augen eines Bärs.
    Er nahm sich wieder den Schürhaken und kam näher, vorsichtiger dieses Mal, und winkelte den Haken an wie einen

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