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Rune

Rune

Titel: Rune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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lehnte mich gegen die Wand und sah überall hin, nur nicht in dieses ausradierte Gesicht, weil ich Angst hatte, kotzen zu müssen. Aber ich hatte einen zerfetzten roten Haarschopf gesehen, und daran hielt ich mich fest, denn Aarons Haar war braun. Doch vielleicht war er ja nicht das Opfer, sondern der …
    Die Türen des Krankenwagens wurden zugeschlagen, und einen Moment später begann die Sirene ihren Klagegesang, als sie fortschossen. Einige Angestellte hingen vor der Tür herum, die Männer in Westernhemden und die Frauen in braunen Blusen, und alle trugen sie diese albernen Hüte. Manche weinten, und alle waren aschgrau im Gesicht.
    Aaron war nicht unter ihnen.
    Ich fand ihn im Innern, wie er auf dem Boden eines Flurs saß, der zu den Büros führte. Er hielt die Knie gegen die Brust und starrte ein Loch in den Boden – starr und stumm wie ein Standbild.
    »Aaron?« fragte ich sanft.
    »Es war ein Unfall«, flüsterte er.
    Ich setzte mich neben ihn. »Was?«
    »Maurice, er war’s.« Aaron sah mich an, und seinen Augen zufolge hatte er gerade einen Langstreckenlauf durch die Hölle geleistet. Eine Träne erschien. »Chris, es war ein Unfall. Ich schwör’s dir!«
    Ich nahm ihn an der Schulter. »Sag’ mir einfach, was passiert ist!«
    Seine Augen schlossen sich, und als er sie einen Augenblick später wieder öffnete, sahen sie nicht besser aus. »Wir haben das Fritierfett aufgefüllt und dann die Friteusen angeschaltet. Irgendwie … ist Öl auf dem Boden gelandet. Und als er etwas später zu mir kommt, um mich deswegen fertigzumachen – Chris, er hat mich nur merkwürdig angeschaut, und ich bin ausgeflippt, weil ich dachte, vielleicht benutzt Olaf ja ihn. Und dann …« Er wischte mit den Händen über sein Gesicht, das schon von der Hitze in der Küche glänzte. »Ich – ich weiß nicht, was passiert ist, es war alles so schnell vorbei, aber … ich glaube, ich habe ihn geschubst, und er ist auf dem Öl ausgerutscht … und mit dem Gesicht in diese Friteuse gefallen!
    Ganz wie auf der Zeichnung, die ich im Sommer gemacht habe!«
    Ich dachte, mir würde wieder übel werden, denn ich wußte, wie heiß diese Fette werden. Heiß genug, um einen Eisklotz von gefrorenen Kartoffeln in weniger als einer Minute zu dampfenden Fritten zu machen. Ja, Übelkeit war wohl die normalste Reaktion der Welt.
    Aber dafür hatten wir nicht die Zeit. »Komm schon, Aaron. Wir bringen dich fort von hier.« Ich zog ihn mit mir hoch und brachte ihn nach draußen. Wir hatten seine Jacke vergessen, doch er schien die Kälte nicht zu spüren.
    Im Wagen fing er zu weinen an, bitter, zornig. »Chris, ich halt’s einfach nicht mehr aus! ICH GEHE KAPUTT!«
    Wann zum Teufel wird das alles vorbei sein? Es war ein Alptraum, der stetig schlimmer wurde, und wir konnten nicht aufwachen.
    »Das ist genau das, was er will, Mann, genau das. Jede Träne, die du weinst, ist ein Lacher für ihn.« Olaf hätte auch von mir ein paar Tränen gekriegt, aber ich bekämpfte sie, wie ich noch nie zuvor gegen Tränen gekämpft hatte. »Also halte durch. Halte einfach durch. Denn wenn du das nicht machst, gehen wir beide drauf.«
    Er wischte sich Augen und Nase.
    »Ich kann nichts mehr tun, nirgendwo mehr hingehen … es folgt mir, egal, was ich auch mache …«
    Ich weiß, ich weiß …
    »MEINE FREUNDE SIND TOT, UND ES IST MEINE SCHULD, MEINE SCHULD!«
    Ich krallte mich ins Lenkrad und biß mir auf die Zunge, denn nichts, was ich sagen konnte, hätte auch nur einen Deut an der Sache geändert. Ich wußte das, weil nichts, das irgend jemand mir sagen konnte, etwas an meinem Gefühl geändert hätte, daß Rick meinetwegen tot war. Und in dieser Hinsicht hatte Aaron mehr gelitten als ich.
    Also fuhr ich, fuhr, bis er sich ausgeweint hatte, und dann nach Hause. Denn es schien, daß unser Haus der einzige sichere Ort war, den wir noch hatten. Unsere letzte Zufluchtsstätte.
    Doch als ich Moms Auto und Dads Lieferwagen in der Einfahrt sah, noch lange vor der Mittagszeit, da wußte ich, daß noch mehr schlechte Nachrichten auf uns warteten.

41.
     
    Es gibt viele schreckliche Dinge, die Menschen sich gegenseitig antun. Ich weiß das, weil ich es häufig gesehen habe, und selbst, wenn ich nie wieder im Leben so etwas sehen würde, wäre es immer noch zu viel. Einiges geht auch auf mein Konto. Man kann einen Typen namens Wendell aus Harden fragen. Oder Valerie Waters. Oder Hürdenspringer über seinen blaubemalten Arsch, wenn er noch am Leben wäre.
    Doch es

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