Rune
Ich war allein, weil Phil sich krank gemeldet hatte. Vermutlich wegen Rick.
Hier draußen gab es nicht viel, was man sich ansehen konnte; die einzigen Spuren der Zivilisation außer uns selbst waren die Straße voller Schlaglöcher und die gleichmäßige Reihe der Hochspannungsmasten. Also sah ich zu, wie White Trash Joe auf der Straße arbeitete. Er feilschte mit einem fetten Kerl mit Sonnenbrille, der in einem staubigen LTD, dem mehrere Radkappen fehlten, hier angekommen war. Ihre Stimmen waren nicht verständlich, doch ich konnte sehen, daß sie über den Preis einer Pistole in Joes Händen stritten. Das würde noch eine Weile dauern; Joe gab nicht so einfach nach.
Ich war fertig mit dem Brot und schluckte den Rest Milch aus meiner Flasche. Die Mahlzeit lag wie ein saurer Kloß in meinem Magen, als ich mich in den Laster zurücklehnte, ohne Hemd und mit baumelnden Beinen. Ich schloß für einen Moment die Augen und genoß die tröstende Wärme der Sonne.
Der fette Mann, dessen lockiger Haarkranz unter seiner Mütze wie Stahlwolle abstand, schüttelte heftig seinen Kopf. Sein Mund formte die Worte Scheiße, das ist zu teuer. White Trash Joe, einer der knochigsten Männer, die ich je gesehen hatte, sprang auf und bot dem Mann die Waffe mit einer liebenswürdigen Geste an. Er fuhr sanft mit dem Finger über den Lauf. Streichelte den Griff. Zielte auf einen nahen Baum und stieß plötzlich zurück, als wäre die Pistole losgegangen. Ohne die Geräusche war das alles ein ziemlich komischer Anblick, doch war mir nicht nach Lachen zumute.
Der Widerstand des fetten Kerls wurde merklich schwächer. Schließlich wurde Bargeld gegen die Pistole getauscht, dann folgte ein Handschlag. Der fette Kerl fuhr mit seinem staubigen LTD fort, glücklich über sein neues Spielzeug, und White Trash Joe kam mir mit seinem neuen Schatz entgegen. Er nahm die Mütze vom Kopf und stopfte die Geldscheine in eine kleine Tasche, die frech hinter die Stirnseite genäht war.
»Stammkunde«, erklärte Joe. »Dem darf ich nicht zu viel abknöpfen.«
»Du hast ein Herz aus Gold«, sagte ich.
Er verbeugte sich und setzte die Mütze wieder auf. »Ich wollte, ich könnte einen Flammenwerfer besorgen. Der fette Junge hätte liebend gern einen.«
»Einen Flammenwerfer? Wozu zum Teufel braucht er den?«
White Trash Joe schüttelte den Kopf, als sei ich der Beschränkteste, den er je gesehen hätte. »Er will überleben, Kleiner. Er rüstet sich für den großen Zusammenbruch. Wenn die Russkies kommen oder die Wirtschaft zusammenbricht, oder wovor er auch immer Angst hat.« Joe nahm einen Beutel mit Kautabak aus der Tasche und stopfte sich einen enormen Priem in den Mund. »Tu mir ’nen Gefallen, ja? Geh ein Stückchen mit mir.«
Ich sah ihn neugierig an, und als er mir die Hand auf die Schulter legte und mich sanft von der Heckklappe zog, folgte ich ihm. Wir schlenderten am Straßenrand entlang, weg von den Fahrzeugen. Hitze flimmerte auf dem rissigen Teer, und die Luft gewährte keine Erleichterung. Unsere Füße wirbelten kleine Staubwolken auf; es hatte lange nicht geregnet.
»Ich habe das mit deinem Freund gehört«, sagte er und zielte dann einen Strahl Tabaksaft auf den Rand der Straße.
Ich runzelte die Stirn. »Woher weißt du davon? Es soll erst heute abend in den Zeitungen stehen.«
»Ich habe Freunde in hoher Position – bei der Polizei.« Er sah deswegen ziemlich stolz aus. »Ich glaube nicht, daß du das weißt, aber vor ein paar Jahren hab’ ich für die Firma Little Egypt Asphalt gearbeitet.«
»Und was hat das mit mir zu tun?«
Joe seufzte. »Nicht viel. Aber wir haben die Straße nach Pleasant Hills gebaut. Und ich kann dir sagen, Kleiner, damals sind echt schräge Sachen passiert.« Er fand einen Stein, den er vor sich hertreten konnte. »Ich arbeitete in einer Mannschaft wie dieser hier. Manchmal machten wir uns gegenseitig die Hölle heiß, aber wenn’s drauf ankam, hielten wir zusammen. Gute Freunde, weißt du. Aber als wir dort unten anfingen, ging alles den Bach ’runter. Wir fanden ständig einen Vorwand, um zu streiten. Einmal hatte ein Typ namens Ernie Frehley eine Schlägerei mit einem anderen Kerl, und kurz darauf läuft er ihm mit einer Flasche nach -« (Gib mir eine Flasche, Roy! Gib mir ’ne Flasche!) »- und macht sich ’nen Höllenspaß, ihn damit zusammenzuschlagen. Nicht lange danach fängt ein Typ während der Mittagspause an durchzudrehen, und klettert auf diesen großen, alten Baum. Als nächstes
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