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Rune

Rune

Titel: Rune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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Sandsäcke, und sie waren so schlimm, daß ich dachte, noch nicht einmal mit Phil darüber reden zu können. Doch was konnte ich auch sagen? Ich wußte nichts Bestimmtes, nichts Konkretes. Alles, was ich hatte, waren paranoide Phantasien, die aus Bildern und Gefühlen entsprungen waren, die wie die Überreste eines Alptraumes über mir hingen.
    »Seid ihr jetzt glücklich?« fragte ich laut das Wäldchen. Und in der Luft spürte ich ein sonderbares Flirren, einen chemischen Vorgang, als fände eine richtige Unterhaltung statt. »Was zum Teufel wollt ihr noch?«
    Eine Brise seufzte durch die Bäume, grün und endlos laubbedeckt, und sie murmelten sanft. Ich wußte, daß der Hain mich hörte. Und verstand.
    Ich ging mehrere Schritte in seine Richtung. »Was stimmt nicht mit dir?« schrie ich. »WAS BIST DU?«
    Die Spannung in der Luft wurde elektrisch, und ich konnte spüren, wie die winzigen Härchen auf meinen Armen sich aufstellten. Ich ging noch einige Schritte vorwärts, bis ich den Asphalt verlassen hatte und auf dem Grund stand, wo hochgewachsenes Gras und Ranken meine Knöchel streiften. Ich spie verächtlich aus und stand dem gewaltigen Baum gegenüber wie David wohl einst Goliath.
    »In Ordnung«, sagte ich. »Zeig’ mir, was du auf Lager hast.« Ich stand fest da und wußte nicht, was geschehen würde, wenn überhaupt. Wieder ging eine Brise, doch nicht stärker als zuvor. Nichts Sonderbares daran. Mit Ausnahme von … Es schien kälter zu werden, ganz wie in jener Nacht, als der jähe Temperatursturz Phil, Rick und mich verschreckt hatte.
    Bald schien es, daß die Welt verblaßte, aus der Sicht glitt, doch nie unmittelbar vor meinen Augen. Es geschah an den Rändern meines Blickfeldes, wie eine Fotographie, die in der Mitte scharf und deutlich erkennbar ist, am Rand aber verschwommen wird.
    Wir standen uns lange Zeit so gegenüber, und ich wartete auf etwas. Dann dämmerte mir langsam, daß ich lange kein Auto mehr auf der Route 3 7 gehört hatte.
    Wenn die Route 37 überhaupt noch da ist.
    Langsam, als wüßte ich schon, was mich erwartete, wandte ich mich um, um nach meinem Wagen zu sehen. Der natürlich nicht mehr da war. Ebensowenig wie der Asphalt. Ich erinnerte mich an die Nacht, in der wir diesen Ort gefunden hatten, oder er uns gefunden hatte. Und ich erinnerte mich an das Gefühl, das ich verspürt hatte, als ich auf den Hain zugegangen war – als sei die Welt jünger und stärker. Primitiver. Zweifellos war dies die logische Steigerung jener Nacht. Mein Auto war weg, weil wir irgendwie in der Zeit zurückgefallen waren – lange bevor irgend jemand auch nur an Dinge wie Autos gedacht hatte.
    Auch die Landschaft hatte sich verändert. Der Hain war geblieben, doch jenseits davon war alles hügeliger, felsiger. Der Teich hatte sich ausgebreitet wie eine Schleife, deren Enden man nicht sehen konnte.
    Nein, nicht Teich, wollte ich sagen. Die kindlichen Studien über meine Herkunft kamen zurück. Ein Fjord.
    Ich wußte, daß ich vor Angst hätte versteinern müssen, doch ich konnte in mir keine Furcht entdecken. Dies alles hatte die surreale Beschaffenheit eines lichten Traumes, wenn man sich völlig bewußt ist, daß man träumt.
    Ich blickte voll Erstaunen auf diese neue Umgebung. Und ich erinnerte mich an Aarons Stimme, die aus einer Nacht zu mir drang, die sowohl Vergangenheit als auch Zukunft schien: Die Natur gab uns unsere ersten Kathedralen, Chris.
    Dann wußte ich, warum es keine Furcht gab. Dieser Ort, dieses fremde Land, das um mich erblüht war, war mir nicht neu. Ich war schon einmal zuvor hier gewesen, denn ich fühlte mich wie in meiner – Heimat.
    Die schwarzen Felshügel zu meiner Rechten – jemand war dort erschienen, auf einem massigen Pferd. Er war zu weit entfernt, um ihn deutlich zu erkennen, doch er war groß, das war offensichtlich. Er hob einen gewaltigen Arm zum Gruß. Oder zur Herausforderung?
    Nun endlich der kalte Geschmack der Furcht.
    Er trieb das Pferd an und ritt die Seite des Hügels so leicht und mühelos hinab, als reite er auf einem fliegenden Teppich. Er zog eine Waffe und schwang sie über dem Kopf. Die Hufe des Pferdes erzeugten Donner, der den Boden erschütterte. Schaum wölkte um seine Nüstern, und die Augen blitzten wild.
    Als sie näher kamen, konnte ich die Fellkleidung des Mannes sehen, den fliegenden Schopf aus schmutzigem Blondhaar, den verfilzten Bart – und, am schlimmsten von allem, seine Augen, die mehr Zorn beherbergten, als in einem Menschen

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