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Rune

Rune

Titel: Rune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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nicht, weil sie sich vielleicht fehl am Platze fühlte, sondern weil wir über jemanden sprachen, den sie nie kennenlernen würde.
    Bald begann unsere kleine Gruppe, sich aufzulösen. Erst ging Aaron, um andere Freunde zu besuchen, dann entschlossen sich Phil und Connie, die mehr und mehr wie ein Paar erschienen, zu gehen. Hand in Hand. Valerie und ich blieben alleine zurück.
    Und das war der unbeholfenste Moment meines Lebens.
    Ich bezweifelte, daß es ihr viel besser ging; Augenkontakt schien ihr unmöglich zu sein.
    »Also …«, sagte ich. Der Meister der Einleitung, das bin ich. »Wie geht’s?«
    »Geht so.« Endlich sah sie mich direkt an. »Und dir?«
    »Auch.« Ich war dankbar für diese gemeinsame Zeit, so wie sie war. Denn ich hatte ihr eine Neuigkeit mitzuteilen. »Ich, äh, werde in drei Wochen auf’s College gehen. Ich werde die Stadt verlassen.«
    Das hatte sie eindeutig nicht erwartet, obwohl es sie nicht sonderlich zu schmerzen schien.
    »Wohin gehst du?«
    »Rauf nach Andrews, mit Phil. Ich habe mich vor ein paar Wochen eingeschrieben, genau nach dem Wochenende, an dem … nun, du weißt schon. Das Andrew College hat einen lächerlich späten Annahmeschluß für Einschreibungen. Vermutlich bin gerade noch so durchs Netz geschlüpft.«
    »Also ist schon alles geklärt?«
    »Oh, nein, nein. Ich bin nur eingeschrieben, das ist alles. Ich muß mir noch meinen Stundenplan zusammenstellen und mir ’ne Bleibe suchen.«
    »Hauptsache, bis zur letzten Minute gewartet«, sagte sie, doch es lag kein Spott darin.
    »Stimmt.« Ich starrte die Spitzen meiner Schuhe an, die mir auf einmal äußerst faszinierend erschienen. »Ich wollte dich fragen, ob du heute abend vielleicht kurz bei mir vorbeischauen willst.«
    Sie gab keine Antwort, doch man mußte nicht allzu helle sein, um zu erkennen, daß sie nicht gerade Luftsprünge vor Freude machte.
    »Ich wollte mich nur von dir verabschieden und ein paar Sachen mit dir klären. Ich kann nicht so einfach gehen.« Ich sah auf die kleiner werdende Menge vor der Kirche. »Und hier ist wohl kaum der richtige Ort dafür.«
    Sie wand sich unbehaglich, und der Anblick der Bewegungen ihres Körpers unter dem Sommerkleid quälte mich. »Ich weiß nicht, Chris.«
    »Ich gebe dir eine Viehpeitsche, um mich auf Abstand zu halten«, sagte ich und versuchte mein entwaffnendstes Lächeln. Und ich glaube, es wirkte.
    Es gelang mir, das Haus an diesem Abend ganz an mich zu reißen. Aaron war kein Problem, er mußte arbeiten. Mom und Dad überredete ich, ins Kino zu gehen. Sie verstanden meine Lage, oder zumindest die Version, die ich ihnen erzählt hatte, und es war nicht allzu schwer, sie zu überzeugen. Sie trauten mir mehr oder weniger zu, mich zu Hause mit einem Mädchen gut zu benehmen. Das hieß nicht, daß ich mich dieses Vertrauens immer würdig erwiesen hätte, doch wenn das Glück mir hold war, beklagte ich mich nicht.
    Ich weiß nicht, was ich an diesem Abend eigentlich erreichen wollte. Ich vermute, daß ein Teil von mir sie zurückgewinnen wollte, obwohl meine vernünftige Seite wußte, daß das so unwahrscheinlich war wie der sprichwörtliche Schnee im Sommer. Und vermutlich war mein zweiter Antrieb, den Weg für eine zukünftige Versöhnung zu ebnen.
    Trotzdem hatte ich an jenem Nachmittag nicht gelogen. Ich wollte wirklich etwas freundschaftlicher Abschied nehmen als noch vor einigen Wochen. Ich haßte den Gedanken, böses Blut zwischen uns zu hinterlassen.
    Und ich glaube, daß der Abend auf dieser Ebene, und nur auf dieser, ein Erfolg war.
    »Ich glaube nicht, daß ich dir jemals sagen kann, wie leid mir diese Nacht tut«, erklärte ich ihr. Wir saßen auf dem Boden meines Zimmers.
    Valerie nickte. »Aber ich werde wohl niemals sagen können, daß es mir nichts ausmacht.«
    Patt.
    Ich lehnte mich gegen mein Bett, legte den Kopf zurück und starrte die Decke an. »Es war einfach ein beschissener Sommer. Der schlimmste überhaupt.« Ich wußte, was daran schuld war, konnte es ihr aber nicht sagen.
    Sie griff sich ein Kissen, das an der Wand lehnte, umarmte es, zog dann die Knie hoch und legte ihr Kinn darauf. Unsere Haltung war so defensiv an diesem Abend, so wachsam. »Vielleicht ist es das beste, wenn du für eine Weile raus aus dieser Stadt kommst.«
    »Vielleicht.« Unter normalen Umständen wäre es vermutlich die beste Sache der Welt für mich gewesen. Aber es waren keine normalen Umstände, die mich in diese Lage gebracht hatten. Und nun, da ich mittendrin

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