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Rune

Rune

Titel: Rune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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angemessen schien. Rick hätte es gemocht. Man konnte vereinzelt Weinen in der Kirche hören, und ich versuchte, dieses Geräusch auszublenden. Doch es war ansteckend, und ein- oder zweimal füllten sich meine Augen mit Tränen.
    Der Pfarrer kam als nächstes. Er bemühte sich, das ist das beste, was ich über ihn sagen kann. Doch vermutlich hatte er nie einen Gottesdienst unter diesen Umständen abhalten müssen. Also bemühte er sich.
    Nachdem es vorbei war, verließen wir die Kirche in ordentlichen Reihen, und das alles hatte mir nicht im geringsten geholfen. Diese verdammte Kirchenorgel fing wieder an, und ebenso das Murmeln von Konversation, hauptsächlich erwachsener. Mir ist aufgefallen, daß Erwachsene bei dem Begräbnis eines Jugendlichen weitaus redseliger sind als Gleichaltrige. Die sind vermutlich bis ins Mark erschüttert, gefangen in einer unwirklichen Lage, die ihnen ihre eigene Sterblichkeit näher vor Augen führt als noch am Tag zuvor. Oh, aber die Erwachsenen – sie wissen einfach, was man sagen muß:
    »- eine so schöne Andacht -«
    »- ich kannte ihn, seit er drei oder vier Jahre alt war -«
    »- es war bestimmt ein großer Trost für seine Familie -«
    »- er hätte aber mal einen Haarschnitt vertragen können -«
    »- sie sind ja noch ziemlich jung, vielleicht können sie noch ein Kind haben -«
    »- ich weiß genau, wie es ihnen geht, meine Tochter hat seit zwei Monaten nicht angerufen -«
    Zum Kotzen.
    Ich bemerkte, daß ich meine Fäuste ballte.
    Scheiße, haltet euer Maul! Ich wollte schreien. Ihr wißt überhaupt nichts von ihm! Ihr habt nicht einen Traum mit ihm geteilt, ihr habt nie mit ihm geweint, wenn es fast zuviel wurde. Ihr habt – keine – Ahnung.
    Nach dem Gottesdienst blieben wir noch etwas vor der Kirche, und ich sprach mit einigen Freunden, die ich seit Ende der Schule nicht mehr oft gesehen hatte. Noch so eine Sache: die Freunde eines toten Jugendlichen wollen die Kirche oder den Friedhof nie verlassen. Sie sammeln sich in kleinen Gruppen, stecken die Hände in die Taschen oder verschränken die Arme über der Brust und starren in den Himmel und auf den Boden, auf der Suche nach Antworten, die sie nie finden werden. Sie klammern sich aneinander. Nicht körperlich, sondern emotional. Denn sie wissen, daß es keine Gewähr dafür gibt, daß es auf dem Heimweg nicht einen anderen erwischt.
    Ich blickte hoch zur Kirche, zu ihrem grauen Mauerwerk mit dem englischen Zierrat und den endlosen Efeuranken. Darüber war der Himmel wolkenlos und strahlend blau. Ein viel zu schöner Tag, um sich derart elend zu fühlen, wie ich es tat. Ich lockerte Schlips und Kragen, zog mein Jackett aus. Schließlich hätte Rick es nicht gewollt, daß ich mich unwohl fühlte.
    »Das hat mir nicht sehr viel gebracht«, sagte Phil leise.
    Connie, Aaron und ich nickten zustimmend.
    »Ich kann immer noch nicht glauben, daß wir ihn vielleicht nie wieder sehen«, sagte Aaron, der nah an meiner Seite stand. »Ich begreifs noch nicht.«
    »Ich weiß, daß sich das schrecklich anhört«, flüsterte Connie, »aber ich kann mich mit dem Gedanken nicht abfinden, bis … es eine Leiche gibt.«
    Wir grübelten darüber nach, und niemand fuhr sie an, weil sie sich zu morbide anhörte oder Rick das Schlimmste wünschte. Irgendwie wäre es besser gewesen, seinen Körper im Sarg zu sehen, als diese hoffnungslose Unsicherheit durchzustehen.
    »Man hätte wenigstens etwas dort vorne hinstellen können«, sagte Phil.
    Aaron hob den Kopf. »Seine Gitarre vielleicht? Oder wäre das zu trivial gewesen?«
    Wir dachten darüber nach und stimmten überein, daß zumindest wir es nicht dafür hielten.
    Da stieß noch jemand zu unserer kleinen Gruppe – Valerie.
    Ich hatte sie schon vorher in der Kirche gesehen, wenn auch nur aus der Entfernung. Sie sah besonders hübsch aus in ihrem violetten Sommerkleid.
    Ich fragte mich, ob sie überhaupt mit mir reden würde.
    Sie tat es, aber nur flüchtig, und sie verwendete ebensoviel Zeit darauf, Aaron, Phil und Connie zu begrüßen. Niemand von ihnen kannte den wahren Grund unserer Trennung. Valerie stellte sich nicht neben mich, bemerkte ich mit einem Stich. Vermutlich Sicherheitsabstand.
    Wir redeten noch eine Zeitlang über Rick, und hauptsächlich tauschten wir Erinnerungen darüber aus, was wir am meisten an ihm gemocht hatten. Und Connie tat mir leid. Schließlich hatte sie Rick am wenigsten von uns allen gekannt und konnte daher nur wenig beitragen. Doch ich bedauerte sie

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