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Rune

Rune

Titel: Rune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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je für möglich gehalten hätte, und ich wünschte mir, ihn mitnehmen zu können.
    College. Davonlaufen – so war es mir noch vor kurzem erschienen. Doch war das ein Verbrechen? Selbst die größten militärischen Strategen der Welt sind wertlos, wenn sie nicht wissen, wann sie sich zurückziehen müssen.
    Und sicherlich konnte man auch von mir nicht mehr erwarten.

20.
     
    Mir blieben nur noch wenige Tage daheim. Ich glaube, das einzige, was ich bei meiner Flucht vor dem Sommer und vor Tri-Lakes bedauerte, war die Tatsache, daß ich meine Familie zurücklassen mußte. Ich fand das alles andere als gerecht, wie ein unschuldiges Opfer des Krieges.
    Und als Dad meine Hilfe brauchte, als er eines Tages von der Arbeit nach Hause kam, gewährte ich sie ihm gern.
    Er hatte die Arbeit früh am Nachmittag verlassen, kam aber später als üblich heim. Er war zu einem alten Mann gegangen, in dessen Hinterhof ein umgefallener Baum lag. Mein Vater kann kostenloses Feuerholz nicht liegenlassen, also hatte er seine bewährte Husqvarna-Axt mitgenommen und kurzen Prozeß mit dem Stamm und einigen Ästen gemacht, die er dann auf der Ladefläche seines Lieferwagens nach Hause transportierte.
    Wir gingen nach dem Abendessen raus, um uns der Ladung anzunehmen. Unser Holzstapel lag hinter der Garage, zwischen dem Werkschuppen und einer Stange für Wäscheleinen, die seit mindestens einem Jahrzehnt nicht mehr benutzt worden und nur noch ein rostiges T war.
    »Wir müssen den hier schnell wieder auffüllen«, sagte Dad, als er die Schutzplane beiseite fegte. »Es wird schneller Herbst sein, als wir denken.«
    »Glaub’ ich auch.« Ich mußte meine Phantasie sehr anstrengen, um mir das vorzustellen, denn die untergehende Augustsonne brannte noch immer heiß. Doch vielleicht wäre das Zerkleinern des Feuerholzes eine magische Zeremonie, um die Ankunft des Herbstes zu beschleunigen. Kühleres Wetter, längere Nächte – um den Sommer zu begraben. Je schneller, desto besser.
    »Willst du ausladen oder spalten?« fragte mein Vater, als er seine Handschuhe anzog.
    »Spalten.« Ich hob die Axt.
    Dad kletterte auf die Ladefläche und fing an, das Holz hinabzuwerfen. Die ersten paar Klötze warf er mir genau vor die Füße und grinste, wenn ich vor ihnen weghüpfte. Ganz wie in den alten Western – tanz, Partner.
    Ich schwang die Axt wieder und wieder und ließ sie in hohem Bogen niedersausen, um Klotz nach Klotz mit einem dumpfen Krachen in zwei Teile zu spalten. Rinde und Splitter flogen durch die Luft und verteilten sich auf dem Boden; Schweiß floß, und Sägemehl bedeckte meine Arme und meinen Oberkörper. Es gibt kein Gefühl, das sich mit der langsamen Zerstörung eines Baumes vergleichen ließe. Man gebe mir ein Beil und zeige mir einen Holzhaufen, und ich werde unbesiegbar.
    Trotzdem war ich schon fast außer Atem, als Dad von der leeren Ladefläche sprang.
    »Soll ich eine Zeitlang übernehmen?« Er legte seine Faust um den Griff der Axt, bevor ich noch antworten konnte. »Du kannst damit anfangen, die Stücke aufzustapeln.«
    »Sicher«, sagte ich, als ich das Beil losließ. »Aber wenn es für deine alten Arme zuviel wird, laß es mich wissen.«
    Dad grinste das Grinsen eines Wahnsinnigen und beugte sich vor zu mir, als ob er meinen Kopf spalten wolle, lachte dann und ließ die Klinge in den Klotz krachen. Die beiden Hälften trennten sich säuberlich.
    »Nicht schlecht für einen alten Mann.« Ich applaudierte, und der Klang wurde von meinen Arbeitshandschuhen gedämpft. Ich fing an, das Holz zu stapeln, und ordnete die frisch gespaltenen Hälften und Viertel neben den alten Klötzen an.
    »Du wirst dieses Jahr nicht das erste Feuer anzünden können«, sagte er. Das war einer dieser Familienbräuche. Niemand konnte sich daran erinnern, wie er aufgekommen war, doch seit meiner frühen Kindheit war ich derjenige, der das erste Feuer des Herbstes anzuzünden hatte. »Hast du darüber schon nachgedacht?«
    »Es ist mir schon in den Sinn gekommen. Vielleicht kann Aaron das übernehmen.«
    Dad nickte, wischte Schweiß von seiner Stirn und hinterließ dort einen grauen Streifen Schmutz. »Wie die Weitergabe der Fackel.«
    Das stete Schlagen der Axt, Dads gelegentliches Stöhnen …
    »Weißt du, Chris«, sagte er langsam, »diese Geschichte mit dem College kam so schnell. Ich vertraue dir, daß du weißt, was du tust. Aber …« Er schüttelte den Kopf. »Es hätte mir nichts ausgemacht, etwas mehr Zeit zu haben, um mich daran zu

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