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Rune

Rune

Titel: Rune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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stimmt nicht mit mir?«
    Es war vermutlich nur die merkwürdige Reaktion auf eine Streßsituation, die definitiv die Macht hatte, für eine oder zwei Sekunden den Verstand zu beeinflussen. Doch weitere Erklärungen konnte ich nicht liefern, ich war nun mal nicht Sigmund Freud. Und ich konnte Aaron keine Schuld zuweisen; schließlich hatte ich meinen Streß im Sommer auch nicht gerade zum besten bewältigt. Also versuchte ich, ihn so gut es ging zu beruhigen.
    Schließlich lächelte er irgendwie und stand mit beiden Füßen auf dem Boden.
    »Geh’ jetzt zu Bett«, sagte ich.
    »Ja«, sagte er und ging auf sein Zimmer.
    Ich ließ heißes Wasser in die Spüle laufen, um meinen Lappen auszuwaschen. Und ich zapfte meine Notreserven an.
    Der Schlaf konnte warten. Erst mußten die Dinge wieder normal aussehen. Ordnung ist das halbe Leben, wenn nicht noch mehr.

24.
     
    Mom kam gegen halb neun am nächsten Morgen heim und sah nicht schlimmer aus als in der Nacht zuvor, wenn auch immer noch schlimm genug. Ganz, wie ich es mir gedacht hatte, war sie auf ihrem Stuhl eingenickt, um darauf zu warten, ob Dad am Morgen wohl aufwachen würde.
    Sie kam gerade herein, als ich Cornflakes und Toast auf den Tisch gestellt hatte. Aaron schlief noch immer; dies war sein letzter freier Tag, bevor morgen die Schule wieder anfangen würde. Mom goß sich ein Glas Saft ein und setzte sich zu mir.
    »Ich sehe, hier hat jemand saubergemacht«, sagte sie und ließ ihren Blick langsam durch die Küche wandern. »Vielen Dank. Ich weiß das wirklich zu schätzen.«
    »Was ist mit Dad? Gibt’s was Neues?«
    »Einmal ist er kurz aufgewacht, für ein paar Sekunden nur.« Sie runzelte die Stirn. »Das erste, nun, das einzige, wonach er gefragt hat, warst du. Nicht nach sich selbst, wie es ihm geht, sondern ob du in Ordnung bist.«
    Ich schob mir langsam einen Löffel Cornflakes in den Mund. »Schon merkwürdig. Warum sollte er sich um mich Sorgen machen?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Er hat sich ziemlich aufgeregt. Vielleicht wußte er nicht, was er sagt.«
    »Wann kann ich ihn wiedersehen?«
    »Heute nachmittag. Aber es wird noch eine Weile dauern, bis wir wieder mit ihm sprechen können. Vielleicht morgen abend.« Sie stützte den Kopf auf eine Hand und nippte mit halbgeschlossenen Augen am Orangensaft. »Ich glaube, ich rufe nachher die Versicherung an, um einige Dinge zum Laufen zu bringen. Aber ich glaube nicht, daß die Police auf dem Stand ist, wie sie es sein sollte. Hmm. Man denkt immer, es sei noch genug Zeit, sich um diese Sachen zu kümmern. Ich habe keine Vorstellung, was all das für unser Erspartes bedeuten wird.«
    Ich schob die letzten Cornflakes in meiner Schüssel mit dem Löffel herum und war nicht mehr so erpicht auf sie. »Hör mal – du weißt ja, daß meine Studiengebühr erst in einer Woche fällig ist, und ich kann die Zimmermiete noch zum Großteil zurückerhalten.«
    Sie richtete sich auf und starrte mich über den Tisch hinweg einen Moment lang an. »Du weißt sicher, daß das die schlechteste Idee ist, die du hattest, seit du mit sechs einen Irokesenschnitt haben wolltest.«
    »Ich habe nur gedacht, ich könnte vielleicht noch eine Weile warten, wenn’s sein muß.«
    »Soweit wird’s nicht kommen, Chris. Niemals.«
    »Aber ich weiß ja noch nicht mal, was ich studieren will.«
    »Ist das so wichtig? Das wußte dein Vater in deinem Alter auch nicht. Wenn du aufs College gehen willst, dann tust du das auch. Das ist, was zählt, das wollen wir für dich.«
    »Und wenn ich mir dort oben einen Job suche, um mich selbst zu versorgen?«
    »Später vielleicht.« Sie leerte ihr Glas und rollte es zwischen ihren Handballen. »Jetzt solltest du dich aber auf dein Studium konzentrieren. Orientiere dich. Das ist eine ganz neue Welt für dich dort oben.«
    Die Untertreibung des Jahres.
    »Und ich weiß, daß es eine Zeitlang dauert, bis man sich daran gewöhnt hat. Und wir möchten dir den bestmöglichen Start sichern. Vielleicht kannst du dir später einen Job suchen.«
    Ich kratzte mit dem Löffel in der Schüssel und fühlte, daß ich nicht tiefer in der Schuld meiner Eltern stehen konnte. Wenn man auch nur ein bißchen Unabhängigkeitsdrang in sich verspürt, ist das kein besonders angenehmes Gefühl.
    Die nächsten Fahrten zum Krankenhaus fanden am Abend und am nächsten Morgen statt. Dad schlief jedesmal. Später am zweiten Abend erreichten wir jedoch das Ende der ersten achtundvierzig Stunden, was so etwas wie ein

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