Rune

Titel: Rune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge

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getrieben worden – und darüber hinaus. Ich haßte mich dafür, daß ich ihn seiner Ruhe beraubt hatte.
    Nichts änderte sich, als er mich erkannte. Statt dessen schoß er auf der anderen Seite aus dem Wagen. Er fiel fast hin, als er loszulaufen begann und mir einen Blick über die Schulter zuwarf.
    »Aaron!« schrie ich in den Nebel, der meine Stimme dämpfte. »Hey, ich bin’s!«
    Er hielt an und wirbelte herum, griff sich einen Ast und schwang ihn wie einen Baseballschläger. »Was tust du hier?« schrie er. »Warum bist du mir hierher gefolgt?«
    Ich erkannte kaum den Bruder, den ich seit sechzehn Jahren kannte und liebte. Und ich hatte gedacht, er würde sich freuen, mich zu sehen. »Ich will dir nur helfen, Aaron.« Bitte? Ich ging langsam um den Wagen herum auf ihn zu.
    »Das ist mein Problem«, sagte er. »Du verstehst das einfach nicht.« Er setzte den Ast ab, und sein Gesicht war von Schmerz verzerrt. Der Anblick schnitt wie ein Messer. Der Ast zitterte in seinen Händen, als würde ein Teil von ihm mir damit den Kopf einschlagen wollen und der andere das nicht zulassen.
    Ich weiß nicht, welche tollkühne Tapferkeit sich damals meiner bemächtigt hatte, doch ich ging weiter auf ihn zu. Und als ich in seiner Reichweite war, holte er aus. Der Ast war gut fünf Zentimeter dick, und der Hieb würde vernichtend sein. Ich zuckte zurück, als er auf mich zukam -
    Er wird mir damit den Schädel einschlagen …
    - und ihn dann laut schreiend auf den Boden prallen ließ. Wieder lief er los, in Richtung der Hügel, und wollte zwischen zwei stationären Toilettenhäuschen hindurchlaufen, die wie Bojen vom Nebel abstachen.
    Ich lief ihm nach und brüllte seinen Namen. Ich war schon immer der schnellere Läufer gewesen, und ich riß ihn zu Boden und landete auf ihm. Wir glitten durch feuchtes Laub, und der Verfall des Herbstes beschmutzte uns. Er rollte sich ab, als sein Kampfgeist gebrochen war.
    Er stand kurz vor den Tränen. »Es ist mein Kampf, Chris. Meiner.«
    Es dauerte noch einige Tage, bis ich das wirklich verstand, bis ich die ganze schreckliche Wahrheit erkennen konnte. Doch in diesem Moment war ich mir nicht ganz sicher, was er meinte. Also sagte ich nichts.
    »Woher wußtest du, daß ich hier bin?« fragte er mit starren, leeren, hoffnungslosen Augen.
    »Na, rate mal. Erinnerst du dich noch an den Tag nach Ricks Verschwinden? Als wir übers Fortlaufen sprachen?«
    »Ach ja, ja.« Er lächelte bitter. »Weißt du, ich konnte nicht mal diese Höhle finden. Ich bin den ganzen Nachmittag herumgewandert und … ich habe mir den Knöchel verstaucht …« Er hielt inne und schloß die Augen.
    »Schlimm?«
    »Ich werd’s überleben.«
    Ich sah an meiner Hose hinab, die von Feuchtigkeit und Schmutz befleckt war, und entfernte einige Blätter. »Ich habe das mit Mitch und Mary erfahren.«
    »Ja.« Aarons Stimme war bar jeden Gefühls. Wieviel noch würde er ertragen können? »Es ist Hürdenspringer, Chris. Ich glaube, daß er die Leute tötet.«
    »Daran habe ich auch schon gedacht. Erst dein Brief, und dann diese Sache.« Ich schluckte, was in der Stille laut hörbar war. »Hast du einen Beweis dafür?«
    Er schüttelte langsam und traurig den Kopf. »Ich weiß es einfach, das ist alles. Er ist nicht mehr der alte, begreifst du das nicht? Er ist anders. Früher war er einer von der Sorte, wenn man nicht mit ihnen lacht, lacht man über sie, und du weißt es und er weiß es, und alles ist gut. Ich hatte manchmal ein schlechtes Gewissen deswegen, aber … so ist es nicht mehr. Er läßt sich nichts mehr gefallen.«
    Ich erinnerte mich an den Abend des Spiels, als er sich gegen Phil behauptet hatte. »Das wird bei der Polizei nicht reichen.«
    »Ich weiß, ich weiß. Deswegen bin ich hierher gekommen. Ich mußte einfach fort, um nachzudenken. Um einen klaren Kopf zu kriegen.«
    Galle stieg mir in die Kehle, heiß und sauer. »Außerdem würde es auch nichts nützen, zur Polizei zu gehen.«
    »Sicher würde es das! Wenn sie ihn einsperren, wird alles vorbei sein.«
    Wäre es nur so einfach.
    »Hör zu, Aaron. Hürdenspringer tut es vielleicht, aber es ist nicht seine Schuld. Es ist Tri-Lakes. Das ist die Wurzel von allem. Dieser Ort ist schlecht, und du weißt das genauso gut wie ich. Du hast es schon das erste Mal gewußt, als ich dich mitgenommen hatte. Du hast gekotzt, als hättest du etwas Verdorbenes geschluckt.«
    Er nickte sanft, als würde er endlich den Dingen ins Auge sehen, die er sich die ganze Zeit