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Runen

Runen

Titel: Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Snæland Jònsson
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Trittenheim. Randolph Vilnius Tritten.«
    »Ist das nicht ein wenig arg weit hergeholt?«, zweifelte er.
    Melkorkas Handy störte ihre Überlegungen.
    »Ich muss sofort mit dir reden«, hörte sie Guðjóns ernste Stimme. »Soll ich dich mit einem Wagen abholen lassen?«
    »Was brauchst du von mir?«
    »Dich, sofort hier im Todesermittlungsdezernat«, beharrte der Hauptkommissar. »Wir können dich sofort abholen.«
    »Nicht nötig«, entgegnete Melkorka kurz. »Ich komme selbst.«
    Sie erklärte Kári knapp, was der Beamte von ihr wollte. Dann warf sie sich in ihre weiße Jacke und schlüpfte in die Lederstiefel, setzte sich ans Steuer ihres Range Rovers und brauste davon, zum Polizeipräsidium am Hlemmur-Platz.
    Ein Beamter in Uniform wies sie in einen kleinen, fensterlosen Raum, der offenbar für Verhöre diente. Guðjón trat zeitgleich mit ihr ein, bot ihr an einem kleinen Tisch einen Platz an und setzte sich ihr gegenüber.
    »Was gibt’s denn so Dringendes?«, fragte sie ärgerlich.
    »Das da«, knurrte der Kriminalhauptkommissar und warf ein Foto vor sie auf den Tisch.
    Melkorka stockte der Atem.
    Das Foto zeigte einen alten, weißhaarigen Mann mit weit aufgerissenen, ins Leere starrenden Augen. Er lag völlig untergetaucht in einer blassgrünen Badewanne. Dennoch |173| war er in schwarze Socken, dunkle lange Hosen, ein helles Hemd und eine grüne Lederweste gekleidet.
    Der Dichter von Hvíthöfði hatte seinen letzten Vers gesprochen.
    |174| 36
    Guðjón beobachtete Melkorkas Reaktion genau, als sie das Foto von Beinteinns Leiche erblickte. Ihr Schrecken und Entsetzen schienen nicht aufgesetzt. Trotzdem hielt er das für nicht ausreichend. Vielleicht war sie nur eine ausgezeichnete Schauspielerin?
    Er selbst war weder erstaunt noch betroffen, als er am Morgen die Aufnahmen von dem toten Dichter in der Badewanne auf den Bildschirm bekommen hatte. Er hatte schon viele vermoderte Leichen zu Gesicht bekommen, Leichen von Menschen, die seit Wochen oder gar Monaten tot waren.
    Beinteinns Körper wurde entdeckt, als zwei Polizeibeamte auf den Anruf eines seiner Nachbarn reagiert hatten. Der Nachbar hatte befürchtet, dass etwas passiert sei. Seit einer knappen Woche hatte Beinteinn weder auf die Türklingel reagiert noch sich am Telefon gemeldet. Als die Beamten daraufhin in die Wohnung eingebrochen waren, hatten sie den alten Mann angekleidet in der Badewanne gefunden. Es sah ganz danach aus, als habe er schon tagelang im kalten Wasser gelegen.
    Anfangs war der Hauptkommissar von einem Unfall ausgegangen: Beinteinn, der die achtzig überschritten hatte, hatte sich vermutlich Wasser in die Wanne eingelassen, war dann hineingefallen, ohnmächtig geworden und ertrunken. |175| Die Verwundung am Kopf des Verstorbenen und Blutflecken an der gekachelten Wand schienen diese Hypothese zu stützen.
    Zudem ergab die Untersuchung auch keinerlei Hinweise auf einen Einbruch. Und auch für eine Auseinandersetzung fehlten Indizien. Dennoch wurde die Leiche zur Obduktion gebracht, um die Todesursache zweifelsfrei festzustellen.
    Einer der Beamten, die in Beinteinns Wohnung eingedrungenwaren, erfuhr von dem Nachbarn, dass der Dichter keine Nachkommen hatte und nur selten Besuch empfing.
    »Der Nachbar wusste nur von der Sexbombe aus dem Fernsehen. Die vergisst man ja nicht so schnell«, grinste der junge Beamte.
    Guðjón verstand nicht.
    »Was für eine Sexbombe?«
    »Na die Üppige, die abends manchmal die Zehnuhrnachrichten bringt.«
    Als dem Hauptkommissar klar wurde, wer Beinteinn da so kurz vor dessen Tod besucht hatte, schrillten bei ihm die Alarmglocken. Höchstpersönlich rief er bei dem Zeugen an und erfuhr, dass Melkorka den Dichter von Hvíthöfði am Freitag der Woche zuvor abgeholt und gegen Abend wieder zurückgebracht hatte. Ab dem Tag danach hatte Beinteinn die Tür nicht mehr geöffnet und auch nicht das Telefon abgenommen.
    Guðjón schöpfte Verdacht gegen die Fernsehjournalistin. Sie hatte nicht nur die Leiche des Amerikaners im Gästehaus an der Snorrabraut gefunden, sie war auch die Letzte gewesen, die Beinteinn lebend gesehen hatte. Was zum Teufel ging hier eigentlich ab?
    |176| Melkorka schob das Bild von Beinteinns Leiche von sich.
    »Schrecklich«, sagte sie mit zitternder Stimme. »Wann ist er gestorben?«
    »Um die Zeit, als du bei ihm warst«, versetzte Guðjón. »Alles weist darauf hin, dass du ihn als Letzte lebendig gesehen hast.«
    »Ich habe in den vergangenen Tagen oft versucht, Beinteinn

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