Runen
bewusst in der Gefolgschaft solcher Unmenschen gewesen war.
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Guðjón lehnte es ab, sich zum Stand der Ermittlungen beim Mord im Gästehaus an der Snorrabraut in irgendeiner Weise zu äußern. Journalisten gegenüber bestätigte er lediglich, dass die Leiche des Ermordeten in den kommenden Tagen in die USA zur Beerdigung überführt würde.
»Wir haben weitere Informationen vom FBI erhalten«, vertraute Erna am späteren Abend Melkorka an. »Der Ermordete hieß John Dulles Forster jr. und war zweiundfünfzig Jahre alt.«
»Weißt du, was er gearbeitet hat?«
»Nein, das wollte mir Guðjón nicht verraten. Mir kommt das komisch vor, da er sonst nie Informationen zu einem Fall, den wir gemeinsam bearbeiten, vor mir zurückhält. Er hat auch mehr oder weniger den ganzen Tag Kontakt zur amerikanischen Botschaft gehalten, was genauso ungewöhnlich ist.«
»Was glaubst du denn, was da los ist?«
»Keine Ahnung. Ich finde das alles sehr spooky. Gruselig.«
»Gruselig? Meinst du denn, dieser Forster war ein amerikanischer Agent oder Spion?«
»Würde mich nicht wundern, wenn er vom FBI oder CIA wäre«, bekannte Erna. »Die sind doch überall auf der Welt zugange, oder nicht?«
|166| »Scheint so.«
»Ich will nur klarstellen, dass das mein ganz persönlicher Verdacht ist. Guðjón ist so nervös und verschlossen und hängt die ganze Zeit bei den Amis rum.«
Der Kriminalhauptkommissar war übel gelaunt, als er abends seine Wohnung bei Meistaravellir im Westen von Reykjavík betrat. Er stürzte das erste von drei Gläsern italienischen Rotweins hinunter und verfiel in dumpfe Grübeleien über die Unannehmlichkeiten des Tages. Interpol hatte weder neue Erkenntnisse zur Person Greta Schneider noch wohin sie aus Island gereist war. Die amerikanische Botschaft hatte gezögert, ihm Informationen zu dem Ermordeten J. D. Forster jun. zu geben. Schließlich bekam er eine zensierte Zusammenfassung über den Lebensweg des Opfers zu sehen, nachdem er wiederholt in der Botschaft auf der Matte gestanden und mit dem Botschafter der USA gesprochen hatte. Bei der Lektüre des stellenweise geschwärzten Berichtes lag die Erklärung für das Zögern klar auf der Hand: Dieser Forster hatte lange für den amerikanischen Geheimdienst gearbeitet, und obwohl er dort 1999 aufgehört hatte, lag noch immer völlige Geheimhaltung über seiner Position und seinen Aufgaben beim CIA.
Nachdem Forster den Dienst beim US-Geheimdienst quittiert hatte, nahm er eine Stelle bei Brownwater International Security an. Dieses Unternehmen spezialisierte sich auf Sicherheitsdienstleistungen für Regierungen, Firmen und finanzstarke Persönlichkeiten. Zwei Vertreter der Firma waren im Privatjet nach Island gekommen, um die |167| Leiche abzuholen. Sie hatten rundheraus die Offenlegung aller Informationen zum Fall J. D. Forster jr. verlangt. Umgehend schalteten sie die amerikanische Botschaft ein, als Guðjón sich nicht in der Lage sah, unbefugten Privatpersonen Auskünfte über Ermittlungen in einem Mordfall zu erteilen, die noch am Anfang standen. Kurz darauf ereilte den Hauptkommissar ein kurzer, im Befehlston gehaltener Anruf des Polizeipräsidenten, der ihn anwies, sich sofort in die amerikanische Botschaft zu begeben und den Vertretern von Brownwater einen Bericht über den Gang der Ermittlungen zu geben.
Das Treffen verlief recht einseitig. Der Hauptkommissar beantwortete die Fragen der Brownwater-Leute, bekam selbst aber nur wenig Antworten auf seine wiederholt gestellten Fragen. Dass Forster unverheiratet und kinderlos war, gehörte zu den ganz wenigen Auskünften, zu denen er sie bewegen konnte.
Guðjón hatte daher nach wie vor keine Ahnung, weswegen J. D. Forster jr. unter falschem Namen nach Island gekommen war, geschweige denn weswegen der Abgesandte von Brownwater die Deutsche, die unter Verdacht stand, ihn ermordet zu haben, in dem Gästehaus als seine Ehefrau hatte registrieren lassen.
»Die Herren der Welt waren immer schon arrogante Banditen«, grummelte er und leerte das dritte Glas Rotwein.
Er war überzeugt davon, dass der Mord an J. D. Forster jr. in irgendeiner Weise mit dem Selbstmord von Höskuldur Steingrímsson zu tun haben musste. Der Suizid stand am Anfang einer ganzen Ereigniskette, so viel stand für ihn fest. Es schien ihm sonnenklar, dass das Notizbuch aus der |168| Kriegszeit sowohl das Mordopfer als auch seinen Mörder nach Island geholt hatte. Aber warum?
Den Hauptkommissar wurmte es fürchterlich, dass
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